Zwei recht unterschiedliche Charaktere wurden da in der "Alpen Jazz Night" verbandelt: Zunächst gab es ausgetüfftelten modernen Jazz von Henning Sieverts und Kollegen. Dann ließ Jodelhexe Erika Stucky die Lebenslust raus.
Viel Alpines hatte es ja nicht, das Sieverts-Projekt mit vertonten Bildern des "Blauen Reiter". Ab und zu ein Zwiebelturm und ein Hügel aus Murnau und Umgebung, wo sich einst die Künstler um Franz Marc und Wassily Kandinsky zum Malen trafen. Auch die Herangehensweise an die Bilder (Geburtsdaten in Intervalle oder Buchstaben in Noten zu übersetzen) hatte etwas Konstruiertes. Die berühmte "Gelbe Kuh" aber mit einem rinderwahnsinnigen BSE-Blues zu paaren (auf den Tönen B Es E aufgebaut), das war schon genial.
Moderner Jazz vom Feinsten
Doch lassen wir die Bilder-Kiste weg: Was Bassist und Cellist Sieverts mit Chris Speed (Saxofon, Klarinette), Gerhard Gschlössl (Posaune, Tuba), Achim Kaufmann (Piano), John Hollenbeck (Drums) aufspielte, war moderner Jazz vom Feinsten. Die Grenzen zur modernen Kammermusik wurden souverän überschritten. Für geübte Hörer ein Genuss, für andere zweifellos eine Herausforderung.
Showtime war dann bei Erika Stucky angesagt, in Kalifornien aufgewachsenen und noch zu Schulzeiten in die Schweiz, das Land ihrer Ahnen, zurückgekehrt.
Mit den beiden Alphorn-Virtuosen Robert Morgenthaler und Jean-Jacques Pedretti (die auch auf Posaune oder Muschelhörnern brillierten) und dem Schlagzeuger Nelson Schär vollführte die Alpen-Anarchistin eine Achterbahnfahrt vom Jodeln (dort Juizen genannt) zu Sinatra-Zitaten. Samba-Rhythmen oder Fantasie-Afrikanisch wurden beispielsweise übergangslos untergemischt.
Kraftvoller Befreiungsschlag
Dazwischen tanzt sie sich eins, auch wenn sie keine Bewegungs-Virtuosin ist. Erika lässts einfach raus. Auch das Gesabbere und Gekeuche hat seinen Platz. Auf dieser Wiese im Oberwallis darf auch das Unkraut wachsen. Eine Frau, die sich ganz offensichtlich nicht von irgendwelchen Zeitschriften oder Klischees vorschreiben lässt, wie sie zu sein hat. Ein kraftvoller musikalischer Befreiungsschlag und eine Aufforderung, die eigenen Verrücktheiten mal auszuleben.
Falls die Konzertbesucher nach dieser Stucky-Message nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergehen, darf man gespannt sein, was sich im Allgäu in nächster Zeit so alles tut