Vor einem Jahr trat in Deutschland der erste Fall auf Eine Zwischenbilanz für das Ostallgäu. Von Vitalis Held Ostallgäu Am 24. November 2000 wurde in Deutschland der erste BSE-Fall publik. Doch für Dr. Johann Ludwig, Chef des Ostallgäuer Veterinäramtes, begann der Rinderwahn schon früher: Ende Oktober 2000 leistete er seinen Kollegen im Landkreis Weilheim-Schongau Amtshilfe und gab Proben einer Kuh mit BSE-Symptomen zur Untersuchung. Die Bestätigung kam erst um Weihnachten. Diese lange Wartezeit war mit ein Grund dafür, dass Sozialministerin Stamm seinerzeit zurücktreten musste. Dass sich seither im Verbraucherschutz viel verändert hat, merkt besonders Ludwigs Abteilung im Landratsamt.
Abteilung mit 20 Mitarbeitern
Ein Jahr BSE, das bedeutet viele zusätzliche Aufgaben für das Veterinäramt in Marktoberdorf. Früher war diese Abteilung des Landratsamtes mit vier Tierärzten besetzt. Mittlerweile wurde auf sieben Veterinäre aufgestockt, hinzu kamen drei Ernährungsberaterinnen und ein Futtermittelkontrolleur, die früher beim Landwirtschaftsamt angesiedelt waren. Rund 20 Mitarbeiter gehören so inzwischen zum Sachgebiet 'Veterinärwesen und gesundheitlicher Verbraucherschutz'.
Verbraucherschutz gestärkt
Ein Jahr nach dem ersten BSE-Fall drückt dies aus Ludwigs Sicht aus, dass der Verbraucherschutz auch an der Basis mehr Gewicht erhielt. Denn in München und Berlin wurden dafür eigene Ministerien gebildet. Im Landratsamt richtete man das 'Kompetenzzentrum für Verbraucherschutz' ein. Unter Federführung des Veterinäramtes arbeiten dort verschiedene Abteilungen zusammen.
Schlachtpreise niedrig
Ein Jahr BSE in Deutschland, das bedeutet laut Ludwig, dass sich die Schlachtzahlen wieder 'mehr als normalisiert' haben. Doch muss man auch berücksichtigen, dass seither mehr Teile vom Rind als Risikomaterial über die Tierkörperbeseitigungsanstalt (TBA) entsorgt werden müssen. Der Preis, den der Bauer für ein Schlachttier erhält, liegt rund 40 Prozent unter dem Vor-BSE-Niveau. Einen gewissen Ausgleich für die Allgäuer Grünlandbetriebe bietet der gestiegene Milchpreis. Immerhin verarbeiten die 13 Molkereien im Ostallgäu pro Jahr rund 450 Millionen Liter Milch. Auch der Absatz von Kälbern habe sich wieder normalisiert, weiß Ludwig.
1200 Tiere gekeult
Ein Jahr nach BSE nimmt die Tierkörperbeseitigungsanstalt (TBA) in Kraftisried eine wichtige Rolle ein. Dort wurden heuer bereits mehr als 11 000 Rinder auf BSE untersucht. Bei 30 dort angelieferten Tieren wurden BSE-Prionen entdeckt. Fast 1200 Rinder wurden in Kraftisried gekeult, nachdem in ihrer Herkunfts-Herde BSE aufgetreten war.
Häufung der Fälle im Allgäu
Ein Jahr nach BSE gibt es eine auffällige Häufung: Im Ostallgäu wurden sechs Rinder BSE-positiv getestet. Im Allgäu mit den angrenzenden Kreisen Oberbayerns traten 31 Fälle auf. Damit kommt die Hälfte der 62 BSE-Rinder Bayerns und ein Viertel der 122 in Deutschland aus der Region. Nur durch die hohe Viehdichte lässt sich dies laut Ludwig nicht erklären.
Spur zu Fettschmelze
Ein Jahr mit BSE in Deutschland. Das bedeutet Suche nach den Ursachen. 'Die Infektionswege sind noch nicht restlos geklärt', weiß Ludwig. Dennoch komme der mittlerweile verbotenen Verfütterung tierischer Proteine als Tiermehl oder Milchaustauscher die 'wichtigste Bedeutung' zu. Die Inkubationszeit bei BSE dürfte bei vier bis sechs Jahren liegen. Dies belegt das Geburtjahr der bisher in Deutschland untersuchten BSE-Tiere: Die meisten wurden 1995 (36 Tiere) oder 1996 (67) geboren, berichtet Ludwig. In allen an der TBA Kraftisried getöteten Herden kamen Milchaustauscher zum Einsatz, weiß der Tiermediziner: 'In Bayern weisen 71 Prozent der BSE-Fälle auf die Verfütterung von Tierfetten aus einer Fettschmelze hin.'
Mehr Lebensmittelsicherheit
Ein Jahr nach BSE sind laut Ludwig die Risiken für den Verbraucher minimiert. 'Es sind einschneidende Maßnahmen zur Lebensmittelsicherheit getroffen worden'. Dennoch appelliert Ludwig noch stärker an die Verantwortung der Landwirte, auffällige Rinder zu melden und so das Vertrauen des Verbrauchers zu stärken. Denn von den 62 in Bayern aufgetretenen Fällen wurden 20 im Schlachthof entdeckt, nur elf Verdachtsfälle meldeten Bauern, die übrigen Tiere wurden erst nach Tests in der TBA 'entdeckt'. Früheres Erkennen könnte das Vertrauen der Verbraucher noch weiter stärken. Denn mit BSE und den Folgen müssen Landwirte, Kontrolleure und Verbraucher wohl noch viele Jahre leben. Ein Jahr nach BSE arbeitet in Buchloe auch ein staatlich anerkanntes Labor, das eine rasche Untersuchung der Tiere aus dem benachbarten Großschlachthof und anderer Schlachttiere auf die BSE-Erreger gewährleistet. In den Reagenzgläsern landeten dort bereits 85 000 Proben, 0,5 Promille waren positiv. Unser Foto zeigt die labortechnischen Assistentinnen Anke Kathan (rechts) und Beate Nitsche bei der Entnahme von Proben für den Schnelltest. Foto: Katja Egli