Von Lucia Scharpf Sonthofen - Eitelkeit soll kein Charakterzug des 'kleinen, diebischen, krummbeinigen Bergvolkes' sein - so die Bezeichnung für die Allgäuer in einem alten Lexikon. Dennoch hat Jochen König dieses Bergvolk in den Mittelpunkt eines 'heiteren Abends' in der Sonthofer Kultur-Werkstatt gestellt. Mit zahlreichen Geschichten, umrahmt von schwungvoller Musik, beleuchtet der pensionierte Volksschullehrer aus Kempten den Kern des Allgäuer Wesens. Der passionierte Heimatforscher nähert sich dem Thema durch Zitate von Reisenden aus dem 16. Jahrhundert, wie dem französischen Philosophen Michel de Montaigne und dem Kartographen Sebastian Münster. Das Allgäu muss damals eine geheimnisvoll-zwielichtige Gegend gewesen sein, unwirtlich, rau und von Sümpfen durchzogen. Das Leben sei zweifelsohne hart gewesen, weiß Jochen König zu berichten, 'ein Dreiviertel Jahr Winter und ein Vierteljahr kalt' sei es gewesen. Das Getreide, das angebaut wurde, sei zur Erntezeit oftmals noch grün auf den Feldern gestanden. König ist sichtlich mit Leidenschaft bei der Sache. Immer wieder weicht er vom Programm ab, um diesen oder jenen Aspekt noch ein bisschen weiter zu spinnen, oftmals auf Anregung seines Publikums hin. Gleichzeitig spannt er mehrmals den Bogen zurück zum Ausgangszitat vom 'kleinen, diebischen krummbeinigen Bergvolk', welches er mit Anekdoten zu den einzelnen Aspekten, etwa jener vom diebischen Raubritter Jörg von Freiberg, ausschmückt.
Richtig lebendig wird der Dialog zwischen Vortragendem und Zuhörern, als man sich der Siedlungsgeschichte und dem Dialekt zuwendet. Beinahe jeder der Anwesenden kennt sprachliche Relikte unserer Vorfahren - seien sie lateinischen, keltischen oder alemannischen Ursprungs. Die 'Fehl' beispielsweise geht aus der römischen 'filia' hervor. Ferner wird aufgedeckt, dass die Alemannen vor der Völkerwanderung an der Ostsee siedelten, was König zu dem nicht ganz ernst gemeinten Zitat verleitet, dass 'jeder Allgäuer auch ein Preuß’' sei. Spätestens dabei manifestiert sich der familiäre Charakter des Abends, der durch die heimelige Atmosphäre in der Kultur-Werkstatt noch unterstrichen wird. Doch was wäre eine Darstellung der Allgäuer ohne einen Ausflug in deren musikalische Tradition? Hansjörg Gehring am Akkordeon, mit Kniebundhose und alemannischem Zungenschlag ein waschechter Einheimischer, und Geigerin Evi Keglmaier aus Landshut improvisieren mit viel Können schwungvoll-heitere Volksmusik. Auch ihnen merkt man an, wie viel Freude sie an der eigenen Darbietung haben. Sie sorgen für Auflockerung und tragen entscheidend dazu bei, dass der Abend wie angekündigt nicht eine 'reine Geschichtsstunde' wird. Alles in allem ist den Beteiligten ein Programm jenseits von Kitsch und Alpenromantik gelungen, in dem das Thema Allgäu mit dem nötigen Augenzwinkern angepackt wurde. Jochen König hat eine Vielzahl kurzweiliger Geschichten zusammengetragen und dabei Unbekanntes mit Bekanntem gepaart. Es gelang vielleicht nicht immer, alle Aspekte in einen großen Zusammenhang einzubetten, oftmals blieben sie nebeneinander stehen, aber eine Gesamtschau der Allgäuer Spezies war ohnehin nicht Ziel der Veranstaltung. Heraus kam eine lebendige Darbietung, mehr 'Huigarte' als Vortrag - ein kurzweiliger Abend, der auf eine Fortsetzung hoffen lässt.