Immer wieder "Angla": Der Spott über die schwarze Kanzlerin zieht sich wie ein roter Faden durch das Programm von Urban Priol. "Plappernde Worthülsenfrucht", "Wandelnde Knopfleiste", "Fleisch gewordene Unverfänglichkeit" nennt der Kabarettist die Vorzeigedame der Republik.
Um gegen Ende der Vorstellung immer mehr herauszupräparieren, dass alles, was Angela Merkel sagt, wegflutscht wie ein Stück nasse Seife. Egal zu welchem Thema, die Kanzlerin gebraucht immer die gleichen Floskeln: "Wir sind auf einem guten Wege", "wir befinden uns in einem konstruktiven Dialog", "die Anliegen der Menschen liegen uns am Herzen".
Die Zuschauer im Immenstädter Hofgarten schütteln sich vor Vergnügen. Dort bestreitet Priol wegen des schlechten Wetters das erste "Open Air" des "Immenstädter Sommers". Wobei "Open Air" gar nicht so weit aus der Luft gegriffen ist. Wegen der aus Feuerschutzgründen entfernten Holzdecke sitze man ja fast unter freiem Himmel.
Dem aus dem Fernsehen bekannten Priol ("Neues aus der Anstalt") ist nichts heilig, auch nicht der Papst und die Katholische Kirche (es sei eine gewisse Vorsicht geboten bei alten Männern, die in Frauenkleidern rumlaufen). Der aus Aschaffenburg stammende Wortakrobat teilt aber nicht nur gegen die "Schwarzen" aus, sondern auch gegen die Plaudertaschen anderer politischer Farben: den liberalen Guido Westerwelle führt er vor als Handpuppenkasper der Konzerne, SPD-Altkanzler Gerhard Schröder als "Putins obersten Gasableser" oder die Grüne Claudia Roth als "Betroffenheits-Flokati".
Atemberaubendes Tempo
Im Laufe des Abends gelingt es Priol immer mehr, die von ihm hochgeschossenen Figuren mit nur einer Geste nachzumachen, und der Saal weiß sofort, wer gemeint ist. Bei Angela Merkel reicht das Herunterziehen der Mundwinkel und das Wackeln mit dem Unterkiefer, bei Altkanzler Helmut Kohl ein einziger brummender Ton aus der Tiefe des Saumagens, bei Schröder ein kehliges "Ha-ha". Auf diese Weise schlüpft Priol im Sekundentakt in neue Rollen, verknüpft völlig verschiedene Handlungsstränge zu einem irrwitzigen Wörterbrei, um am Ende in einem atemberaubenden Tempo Forsthaus Falkenau, Steuerprüfung, Elternabend, Terrorismus, Politiker-Phrasen, Hornissenschwärme, Bahnverspätung, Bankenkrise, Pessimismus, Handy-Sucht, deutsches Schlager-Geseiere und esoterische Rückführungskurse - die ganzen Verrücktheiten dieser Republik eben - im Baukastensystem aufeinander krachen zu lassen. Wahnsinn!
Priol ist sein Geld mehr als wert. Nicht nur, dass er von Punkt 20 Uhr bis kurz vor halb Zwölf Gas gibt. Er ist derzeit wohl auch einer der mutigsten Kabarettisten in Deutschland. Er traut sich, Ikonen jeder Couleur vom Sockel zu stoßen und das ganze Ökonomie- und Polit-Bla-Bla scharfzüngig zu sezieren.