Wenn es um Tracht geht, dann ist man bei Elisabeth Fleschhut aus Börwang an der richtigen Stelle. Die Trachtenwartin des Allgäuer Gauverbands hat im Blick, dass die Tradition gelebt wird – und dass Mieder, Rock und Schürze korrekt sitzen. Warum ein Dirndl nicht gleich Tracht ist, erklärt sie im Interview.
Tracht ist trachten nach Gutem, schrieb ein Volkskundler im 19. Jahrhundert. Trifft diese Aussage zu?
Elisabeth Fleschhut: Der Leitspruch der Trachtler lautet: Sitt´ und Tracht der Alten wollen wir erhalten. Den Trachtenvereinen geht es neben der Erhaltung der Tracht auch um die guten Traditionen und gute Kameradschaft. Also ja – ich kannte die Aussage zwar noch nicht, aber das kann man sagen.
Ist Tracht denn überhaupt zeitgemäß?
Fleschhut: Die Tracht, so wie sie im Verein getragen wird, ist eigentlich zeitlos. Die Trachtenmode ist im Moment sogar voll in. Da hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan. Auf der Festwoche sieht man viele in Dirndl und Lederhose. Allerdings sehe ich den Begriff Tracht eigentlich in einem engeren Sinne. Das, was manche auf der Festwoche tragen, zählt für mich nicht unbedingt dazu.
Die Allgäuer Zeitung, das Allgäuer Brauhaus, das neue RSA Radio sowie a.tv rufen auf der Allgäuer Festwoche gemeinsam auf zum Dirndl-Weltrekord. Den haben aktuell die Bad Schussenrieder inne mit 2865 Dirndl-Trägerinnen an einem Ort. .
Betrachten Sie die Entwicklung dennoch positiv?
Fleschhut: Ja, wenn der, der es trägt, sich dadurch mit der Region identifiziert.
Worin liegt der Unterschied zwischen Dirndl und Tracht?
Fleschhut: Ein Dirndl ist im Gegensatz zur Tracht Freizeitkleidung. Das trägt man, wie man will. Eine Tracht wird nach überlieferter Art getragen – und zwar heute überwiegend einheitlich im Verein. Wenn ich jemanden in Tracht sehe, weiß ich in der Regel, woher er kommt. Schließlich handelt es sich um ein traditionelles Festgewand einer Region, das bestimmten Regeln unterliegt. Zu einem Abendkleid zieht man ja auch keine Gummistiefel an.
Was sind das für Regeln?
Fleschhut: Die Schnitte, Farben und Stoffe sind festgelegt. Wichtig ist zum Beispiel auch eine passende Frisur – am besten hochgesteckt: Offene Haare gehen gar nicht, außer sie sind ganz kurz. Zur Tracht trägt man auch keinen Modeschmuck und schminkt sich nicht auffällig.
Was sind die Kennzeichen der Allgäuer Tracht?
Fleschhut: Die Allgäuer Gebirgstracht ist sehr schlicht und von der Arbeitswelt abgeleitet. Man vermutet, dass sich die Farben an denen der Landschaft orientieren: grau für die Berge und grün für die Wiesen. Im Allgäu war man zudem vor 100 Jahren sehr arm und hat das genommen, was da war: Den grauen Wollrock zum Beispiel musste man nicht färben. Ganz typisch für die Allgäuer Tracht sind auch die Edelweiß-Hosenträger der Männer.
Sehen Sie die Party-Dirndl als Konkurrenz zur Tracht?
Fleschhut: Nein, ich sehe es nicht als Konkurrenz. Die Tracht trägt man zu besonderen Anlässen und im Verein. Das geht auf eine meist mehr als 100-jährige Tradition zurück. Es ist ein Festtagsgewand. Das Dirndl hingegen kann man beliebig anziehen.
Haben Sie nur ihre Tracht oder auch Dirndl im Schrank hängen?
Fleschhut: Es vergeht fast kein Wochenende, an dem ich kein Dirndl anhabe. Insgesamt besitze ich zehn Stück. Allerdings ist keines davon ein kurzes Party-Dirndl.
Vervollständigen Sie bitte die folgenden Sätze: Trachtler zu sein bedeutet...
Fleschhut: ...für mich: eine Lebenseinstellung. Das heißt neben Tracht auch Dialekt, Volksmusik und Brauchtum zu pflegen.
Tracht kann tragen, wer ...
Fleschhut: ...seine Verbundenheit zu Tradition und Brauchtum zeigen will.
Ein Leben ohne Tracht wäre...
Fleschhut: ...für mich nicht vorstellbar. Ich bin in einer Trachtenfamilie aufgewachsen – mein Mann und unsere Kinder auch. Meine schönsten Erlebnisse habe ich mit und in Tracht erlebt. Das ist unser Leben.