Marcus Brand aus dem Günzacher Weiler Autenried ist ein Fahrer: Er fährt überall hin, sogar vom Esszimmer zur Haustür. Denn der 45-Jährige sitzt querschnittsgelähmt im Rollstuhl. Seine Lähmung bis zu den Halswirbeln - Arme und Hände kann er bewegen - hält ihn aber nicht davon ab, im Winter auf den Straßen in und rund um Reinhardsried Schnee zu räumen. Brand ist freiberuflicher Schneepflugfahrer, beauftragt von der Gemeinde Unterthingau.
Kann er das denn, mit einer solchen Einschränkung? Zu Beginn seien viele skeptisch gewesen, erzählt Brand. Doch er hat es allen gezeigt: Seit 17 Jahren fährt er nun schon professionell Winterdienst. Und wie: Bevor er seine Tour beginnt, wechselt er in seinem Hausflur den Rollstuhl, stemmt sich hoch, tritt mit dem linken Fuß (30 Prozent Funktionsfähigkeit) auf und schon sitzt er in einem Gefährt mit Mountainbikereifen: "Für draußen", erklärt Brand schmunzelnd. Dann rollt er sich zum Auto, hievt sich ganz allein auf den Fahrersitz und los gehts: zu seiner Maschinenhalle bei Schotten, wo der Schneepflug steht.
Die zwei Stufen auf seinen Traktor nimmt Brand vom Auto aus ebenso allein und schon beginnt die Fahrt. Zum Einlegen des Rückwärtsgangs tritt Brand mit dem linken Fuß die Kupplung, soviel kann der. Hoch- und runterschalten kann Brand dann allein von Hand. Muss er bremsen, drückt er mit der rechten Hand sein komplett gelähmtes, rechtes Bein aufs Bremspedal.
Auf seinem Traktor fühlt sich Brand wie zuhause: "Ich fahre den Schneepflug mit Leib und Seele." Und er hat Erfahrung darin: Mit 15 hat der gelernte Landwirt schon mit einem Traktor Schnee geräumt. Nach seiner Ausbildung arbeitete er dann als Betriebshelfer im gesamten Ostallgäu - bis ihm 1990 ein Autounfall den Boden unter den Füßen wegzog.
"Warum ich", habe er sich natürlich gefragt. Doch durch Reha-Aufenthalte hat sich Brand ins Leben zurück gekämpft, mit der Devise: "Ich schaffe das und es gibt Leute, denen es schlechter geht als mir." Dass es ihm heute gut geht, dazu tragen vor allem seine Frau Ines und der erwachsene Sohn Patrick bei. Bei der Reha hat Brand seine Frau kennen gelernt, die im Bayerischen Wald als Krankenschwester arbeitete. Der Unfall bescherte ihm also die Liebe seines Lebens. Tatsächlich sagt Brand, jetzt glücklicher als vor dem Unfall zu sein: "Wegen meiner Frau und weil ich heute dankbarer bin für jeden Tag Leben."
Jeden Tag macht er Gymnastik
Damit Brand jeden Tag genießen kann, macht er vier Mal die Woche Krankengymnastik und trainiert zusätzlich täglich zuhause. Jede Bewegung habe er wieder neu lernen müssen, erzählt er. Durch die Erfolge von Reha und Gymnastik findet er sich heute in Beruf und Alltag gut zurecht. "Für meine Lähmung bin ich sehr fit", so Brand, der auch beim Brennholz für seinen Kachelofen mitarbeitet. Ein Freund säge den Baum um, Brand zerteilt ihn dann mit der Motorsäge - sitzend vom Rollstuhl aus.
Brand sprudelt vor Energie
Der Mittvierziger sprudelt vor Energie. Ehrgeizig sei er, sagt er über sich. Es gehöre für ihn auch dazu, Winterdienst-Schulungen zu belegen, um auf dem neuesten Stand zu sein. Und im Sommer, wenn es keinen Schnee zu räumen gibt, reinigt Brand die Module von Freiflächen-Solarparks.
Doch jetzt, da seine Winterdienst-Tour für heute zu Ende ist, steigt er wieder vom Traktor in sein Auto um. Denn Brand ist ein Fahrer, ein sehr mobiler - ob im Rollstuhl, im Auto oder auf dem Traktor.