Kaufbeuren(ses). - Viel habe ich schon gehört von Wahrsagern und Orakeln, Pendeln und übersinnlichen Kräften. Aber sich selbst in die Hand einer solchen Person zu geben? Was passiert wenn mir eine schwarze Zukunft vorausgesagt wird? Werde ich unbekümmert, frei von großen Ängsten weiterleben können? Ich muss gestehen, etwas mulmig ist mir schon, als ich mich aus dem dichten Treiben des Lagerlebens in das abgelegene Zelt von Svetlana begebe. Und tatsächlich - es sieht alles so aus, wie man sich das Umfeld einer Wahrsagerin aus dem Film vorstellt: Der dreiarmige Kerzenleuchter, die Glaskugel und der Duft von Weihrauch. Doch bevor Svetlana loslegt, über meine Zukunft zu sprechen, muss ich eine Tasse mit frisch aufgebrühtem jugoslawischen Mokka leer trinken. Ich nutze die Zeit um meine Ängste loszuwerden. Svetlana nutzt sie, um Vorurteile aus der Welt zu schaffen. 'Das Kaffeesatzlesen ist kein Wahrsagen. Wir wollen den Menschen nichts Schlimmes vorhersagen', erklärt sie mir. Ich atme einmal tief durch. Gott sei dank. Der Kaffee brennt mir auf der Zunge. Ich frage, warum es kein gewöhnlicher Kaffee sein darf. 'Er muss jugoslawisch oder türkisch sein, denn nur diese Sorten bilden den Satz, aus dem die Zukunft gelesen werden kann', bekomme ich erklärt. Es ist geschafft. Der große Augenblick naht. Svetlana dreht die Kaffeetasse einen Moment, dann kippt sie die Tasse um. Wo ich nur braune Brühe sehe, erkennt sie einen Igel. 'Es steht eine stachlige Auseinandersetzung bevor', sagt sie. Ich beginne zu überlegen. Was könnte das sein? Dann ist die Persönlichkeitsanalyse an der Reihe. 'Es ist dunkel', sagt Svetlana bei einem Blick in die Tasse. Das sehe ich auch. Dunkle, braune Kaffeebrühe. Aber mein Orakel erkennt auch darin eine Figur: 'Das ist ein Baum.' Gut, ein Baum. Und was hat das für eine Bedeutung? Ich sei eine geschätzte Person, die viele Leuten sehr gern haben. Das tut gut. Balsam für die Seele.
Familie, Beruf oder Liebe? 'Sie sind immer auf der Gewinnerstraße und finden überall einen Ausweg', sagt Svetlana weiter. Allmählich wird mir mein Kaffeesatz ein wenig unheimlich. Zu gut. Ich denke bereits an den großen Schicksalsschlag, der jetzt dann bestimmt gleich verkündet wird. Stattdessen steht für mich eine schwere Entscheidung an. Ich darf wählen zwischen den Aussichten in Beruf, Liebe oder Familie. Dazu muss mit einem bestimmten Finger ein Abdruck in den Kaffeesatz gedrückt werden. Nach einigen Sekunden reiflicher Überlegung entscheide ich mich für den Mittelfinger - die Liebe. 'Ihr Wunsch wird in Erfüllung gehen, aber nicht so schnell', sagt mir Svetlana. Woher weiß sie, was ich mir wünsche? Ich habe ihr kein Wort darüber verraten. Die Person in meinem Wunsch ist mir zugeneigt, gibt mir mein magisches Gegenüber mit auf den Weg. 'Im übrigen habe ich von vielen schon bestätigt bekommen, dass meine Vorhersagen eingetreten sind', erklärt Svetlana. Ob ich daran glaube? Ich lasse mich überraschen, mehr nicht. Voller Erwartung verlasse ich das Zelt und begebe mich zurück ins Getümmel - auf die Suche nach meiner Prinzessin.