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In der Küche in flagranti ertappt

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In der Küche in flagranti ertappt

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    Wie Norbert Schramm in die jetzt freigegebenen Stasi-Akten von Eiskunstlauf-As Kati Witt kam. Von unserem Redaktionsmitglied Werner Kempf Oberstdorf Norbert Schramm hält Katarina Witt in den Armen. Plötzlich geht die Türe auf. Ein paar Mitarbeiter von der Stasi stehen im Raum und fragen nach Erklärungen. 'Ich bin regelrecht zusammen gezuckt und habe Schiss gehabt', erinnert sich der zweimalige Eiskunstlauf-Europameister, obwohl das Zusammentreffen mit den Beamten der Staatssicherheit der ehemaligen DDR schon 19 Jahr zurückliegt. In der Folgezeit wurde Schramm von den Herren der Stasi beschattet. Die Beobachtungen stehen in den insgesamt 181 Seiten, die jetzt freigegeben werden. Katarina Witt zog Mitte der Woche ihre Klage zurück, mit der sie die geplante Herausgabe der Akten unterbinden wollte.

    'Sie wollte mit mir üben'

    Darin wird auch Norbert Schramms Zusammentreffen mit der mehrmaligen Olympiasiegerin und Weltmeisterin bei der Europameisterschaft 1983 in Dortmund ausführlich beschrieben. Der frisch gebackene Europameister aus dem Westen sollte beim Abschluss-Bankett in der Westfalenhalle mit der ostdeutschen Siegerin Witt zum Eröffnungs-Walzer aufs Parkett. Doch die damals 17-jährige Vorzeigesportlerin des ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaates wollte zuvor 'mit mir noch ein paar Schritte üben', sagt Schramm. Um dabei nicht beobachtet zu werden, zogen sich die beiden in die Küche der Westfalenhalle zurück. Doch nach zwei Minuten war das Rendezvous bereits beendet. Mit den Worten, 'was ist denn hier los', wurden die Tanzenden zur Rede gestellt. Doch Schramms Erklärung, nur ein paar Schritte zu üben, überzeugte die Stasi-Mitarbeiter nicht. 'Die sind mir den ganzen Abend nicht mehr von der Stelle gewichen', erinnert sich der ehemalige Weltklasseläufer. Zum Eröffnungswalzer durfte Schramm mit Witt dann doch antreten. Am nächsten Tag erschien das Foto des Paares in der Bild-Zeitung, die eine große Love-Story zwischen Ost und West witterte, lässt Schramm wissen. 'Alles Quatsch', sagt er. Bei den folgenden Welt- und Europameisterschaften musste die Eisprinzessin aus Karl-Marx-Stadt 'einen großen Bogen um mich machen' (Schramm), wie ihm Katarina Witt bei einem Gespräch nach dem Mauerfall berichtete. Er geht davon aus, dass die Stasi fortan auch ihn intensiv bespitzelte. 'Ich denke, dass meine Telefonate in den Hotelzimmern abgehört wurden.'

    Nur Blickkontakte

    Bei internationalen Veranstaltungen gab es mit Katarina Witt statt Gesprächen nur noch Blickkontakte im Hotel oder in den Eishallen. Denn der zweimalige Vizeweltmeister vermutet, 'dass die Stasi Angst hatte, ich könnte Fluchthilfe leisten.' Doch dies sei nie ein Thema gewesen.

    Denn Katarina Witt gehörte schon damals zu den Privilegierten ihres Landes und hatte viele Freiheiten, sagt Schramm. 'Katarina wollte nie ihr Land verlassen. Sie stand hinter dem Regime in der DDR.' Vor ein paar Jahren hätten ihn die Eintragungen in Katarina Witts Stasi-Akten interessiert. 'Jetzt ist mir wurscht, was drinsteht', sagt Schramm. Er ist froh, dass 'diese schlimme Zeit längst vorbei ist.'

    Nach dem Fall der Mauer arbeitete Schramm mit Witt bei der Eisrevue 'Holiday on Ice' zusammen. Hin und wieder haben sie dann gemeinsam über den Ausflug in die Küche der Westfalenhalle geschmunzelt. An die Tanzübungen erinnert sich der Oberstdorfer immer noch gerne. Denn damals hätten ihn Tausende um diese Situation beneidet. Nur den Herren von der Stasi war das Tänzchen nicht geheuer.

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