sich selbst zu vertrauen Seit 30 Jahren 'Anonyme Alkoholiker' in Kempten Kempten (rcz).'Hallo, mein Name ist Werner und ich bin Alkoholiker.' Gemeinschaftsgefühl und emotionale Bindung sollen diese ersten Worte signalisieren. Seit 30 Jahren gibt es die Kemptener Gruppen der Anonymen Alkoholiker (AA), seit 25 Jahren den Erfahrungs-austausch in den Al-Anon-Familiengruppen. Zum Jubiläum blickten die beiden Gruppen auf ihre Anfangszeit zurück.
Bei dem öffentlichen Treffen kamen persönliche Erlebnisse, Wege mit und aus der Sucht, zur Sprache: 'Ich habe den Anonymen Alkoholikern mein Leben zu verdanken', sagt beispielsweise Michael. Bei ihm sei der Alkoholkonsum aus Gewohnheit zu einer Abhängigkeit geworden, die massive Auswirkungen auf seinen Lebensweg hatte. Michael erzählt von einem Leben, das 'nur noch ein Chaos' war und ständig zwischen Medikamenten, abgebrochenen Therapien und Rückfällen pendelte. Erst als der Tiefpunkt fast erreicht war, gelang es ihm, sich seine Erkrankung bewusst zu machen und in der Gemeinschaft der AA-Gruppen gesund zu werden. Inzwischen ist Michael trocken. So wie er einst von der Offenheit anderer profitierte, will er nun selbst eine Art Vorbildfunktion erfüllen.
'Alles was ich habe erfahren müssen oder dürfen gebe ich weiter', sagt auch Al-Anon-Mitglied Wolfgang. Durch seine Ehefrau mit der Krankheit konfrontiert, habe er nach langen Jahren erst lernen müssen loszulassen, um zu sich zu kommen. In der Gruppe habe er gelernt, sich selbst zu vertrauen.
Sowohl die AA als auch die Al-Anon verstehen sich nicht als Organisation oder religiös-orientierte Gruppierung. Grundlage sei vielmehr in gemeinsamen Gesprächen seine Erfahrungen zu teilen. Das Ziel 'Hilfe zur Selbsthilfe' orientiert sich an einem 12-Schritte-Programm. Voraussetzung: Die Krankheit werde auch als solche erkannt, wie Dr. Johannes Vogler, Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin in Bad Grönenbach, betont.
Ohne moralischen Druck
Der Mediziner beleuchtete in seinem Vortrag den Genesungsprozess aus psychotherapeutischer Sicht. Das direkte Ansprechen auf den Alkoholismus sei die eine Sache, das Lösen einer inneren Spannung der Dialog wie er eben auch in den AA-Gruppen im Vordergrund steht die andere. Dort werde eine Vertrauensbasis geschaffen, die weder beschönige noch moralischen Druck erzeuge, aber konsequente Abstinenz voraussetzt.
Dennoch stoße die Psychotherapie manchmal an ihre Grenzen: Denn alle 24 Stunden habe der Betroffene die freie Entscheidung 'Aufzuhören mit der Tyrannei vom inneren Sollen und Müssen'. Zwar sei die individuelle Behandlung vorrangig, doch die zunehmende Verbreitung von entsprechenden Medikamenten beurteilt Vogler ebenfalls positiv. In diesem Fall gelte es, die Kluft zwischen Medikament und Gruppenvertrauen zu überwinden.