Von Claudia Benz Kempten - 16 Jahre lang pendelte er zwischen Kempten und Dresden. 16 Jahre lang war er im Osten Deutschlands in führenden Positionen tätig. Ende Juli kehrt Dr. Josef Höß, langjähriger Oberbürgermeister der Stadt, ganz nach Kempten zurück. In jene Stadt, die er 20 Jahre lang als Rathauschef mitgestaltete und die er nach seiner Wahlniederlage 1990 nur zeitweise sah. Jetzt wird Kempten wieder sein Lebensmittelpunkt. Hier will er mit seiner Frau Ursula Prestel-Höß das tun, wozu ihm die letzten Jahre nur wenig Zeit blieb: Rad fahren, wandern, lesen, Sprachen pflegen und verreisen. Als Dr. Josef Höß 1990 sein Amt als Oberbürgermeister abgeben musste, saß die Enttäuschung tief. Schmerzlich war es für den leidenschaftlichen Kommunalpolitiker ('man muss die Kommunalpolitik lieben'), nicht mehr an der Spitze der Stadt mitgestalten zu können. Heute ist der 74-Jährige überzeugt: 'Der liebe Gott hat’s gut gemeint'.
'Unverwechselbare Stadt'Denn Höß fand eine neue Tätigkeit, eine 'ungeheuer faszinierende Aufgabe' in Dresden, einer 'einmaligen und unverwechselbaren Stadt'. Von 1991 bis 1999 war er hier Finanzbürgermeister der Stadt, seit 1998 Präsident des Sächsischen Roten Kreuzes, ein Ehrenamt, das Höß Ende des Monats abgibt. Dass er überhaupt im Osten des Landes eine Tätigkeit fand, hat der langjährige Rathauschef Ignaz Kiechle zu verdanken. Ihn fragte er damals, ob er sich nicht praktisch bei der Wiedervereinigung einbringen könne. Über die damalige Bauministerin Hasselfeld kam Höß in die ehemalige DDR. Er arbeitete in einem Beraterstab im Ostberliner Bauministerium mit, saß dann im 'Spiegelkabinett', einem Gremium zur Vorbereitung des Freistaates Sachsen, reiste durch ganz Sachsen, war bei der Konstituierung des Freistaates Sachsen im kleinen Kreis dabei und wurde auf Anfrage der Stadt Dresden 1991 zum Finanzbürgermeister gewählt.
'Ein harter Job'In dieser nationalen Situation dabei sein zu dürfen, begeistert den gebürtigen Allgäuer heute noch. Denn von Anfang an am Aufbau einer Kommunalverwaltung mitzuwirken, sei einmalig gewesen. Aber auch stressig und problematisch. Von vielen Anfangs-Schwierigkeiten kann Höß erzählen, auf vieles ist er aber auch stolz: Auf die Gründung der Wohnungsbaugesellschaften in Dresden beispielsweise, der Wiedereinrichtung kommunaler Versorgungsunternehmen oder den ersten Haushalt (Gesamtsumme 2,2 Milliarden Mark), den er mit über 700 Millionen ungedeckt vorfand und auf eine Million Minus herunterfahren konnte. Ein harter Job sei das gewesen, mit einem Arbeitstag von 7 Uhr bis oft nachts 23 Uhr. Aber mit dem Ergebnis, dass Kommunalpolitik immer wieder aufs Neue hochbefriedigend sein kann. Und noch eines hat der Alt-OB in diesen Jahren erfahren: 'Ich liebe Kempten und habe Dresden lieben gelernt.'Zugute nämlich kamen ihm seine Begegnungen mit Menschen, seine Erfahrungen auf einer Rundreise. Vor allem auch in seinem zweiten Tätigkeitsfeld, dem Roten Kreuz. Die Vielfalt der Aufgaben, die Dienstleistungsangebote (von der Bergwacht bis zur Sozialstation), das Ehrenamt als Fundament dieser Einrichtung - das hat den Vater von drei Söhnen und sechs Enkelkindern fasziniert. Seit 1969 ist Höß im Roten Kreuz, als Beiratsmitglied in Kempten, Vorsitzender des Kreisverbands Kempten-Oberallgäu, Präsident in Sachsen und Vorsitzender im deutschen Präsidialrat. Damit hört Höß jetzt auf. Freilich: Ganz den Rücken kehren will er seiner neuen Liebe Dresden nicht. Eine kleine Wohnung wird er dort beibehalten. Und ob einen tatkräftigen Mann wie ihn nicht doch wieder eine neue Aufgabe reizt? Das lässt Kemptens Alt-OB lächelnd offen. i In einem Buch über die 'Geschichte der Kommunalpolitik in Sachsen', das demnächst erscheint, ist Höß Mitautor.