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Im Magen wird ein Feuer entfacht

Blaichach-Bihlerdorf

Im Magen wird ein Feuer entfacht

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    Im Magen wird ein Feuer entfacht
    Im Magen wird ein Feuer entfacht Foto: veronika krull

    Der Geruch des "echten Gebirgsenzians" erinnert an kühle feuchte Erde. Auf der Zunge erscheint der Schnaps mild, im Abgang dagegen stark und bitter, um im Magen ein kleines Feuer zu entfachen. Die Spirituose entstammt der privaten Enzianbrennerei Mayer in Bihlerdorf. Der "Selbstversuch" der Reporterin endet bereits nach einem einzigen Schluck - schließlich hat der glasklare Schnaps einen Alkoholgehalt von 42 Prozent. Gebrannt wird die Spezialität ausschließlich aus den Wurzeln des gelben Enzians, und das seit hundert Jahren. Damals, im Juli 1910, erhielt der Landwirt Johann Georg Bader aus Hüttenberg bei Ofterschwang die "Lizenz zum Brennen". Heute betreiben Urenkelin Theresia Mayer und ihr Sohn Matthias die Destillerie in vierter und fünfter Generation.

    30 Zentner Wurzeln durften der Uropa und seine Helfer damals mit Erlaubnis der schwäbischen Regierung pro Jahr ausgraben. Heute sind es immer noch 15 Zentner oder 750 Kilo. Aber die bis zu 75 Zentimeter langen Wurzeln sind schwer, sagt Theresia Mayer (67). Die frühere Näherin im Krankenhaus Sonthofen hat die Brennerei gemeinsam mit ihrem Mann Otto im Jahr 1992 von ihrem Onkel Hansjörg Bader als Nebenerwerb übernommen. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 2001 stieg Sohn Matthias in den Familienbetrieb ein. Allerdings werden der 46-jährige Kranfahrer und seine Mutter nur an den Herbst- und Winterwochenenden aktiv.

    Und ohne das freiwillige Engagement von 15 Helfern aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis hätte die Brennerei keinen Bestand, sagt Theresia Mayer. Jedes Jahr im Herbst nach dem Viehscheid ziehen die Männer bei schönem Wetter an drei Samstagen los, um die Wurzeln zu "ernten". Mit Genehmigung aus Augsburg dürfen die "Enzianjäger" im Gunzesrieder Tal graben. Ausgerüstet mit mittlerweile historischen in Hinterstein handgeschmiedeten Pickeln, werden die Wurzeln regelrecht aus der Erde "herausgewürgt". Die Brennerei-Chefin: "Das ist eine besondere Kunst." Die Stängel mit dem Samen werden wieder in die Erde versenkt.

    Pro Zentner fünf Euro

    Zum Dank richtet Mayer den fleißigen Helfern stets eine deftige Brotzeit her und bewirtet sie nach ihrer Arbeit mit einem kräftigen Gulasch. Die Wurzeln werden gewogen; die Grundbesitzer erhalten pro Zentner fünf Euro. Mit einer Freundin putzt und wäscht die Schnapsbrenner-Erbin anderntags die Wurzeln, die zerkleinert und mit lauwarmem Wasser in große Fässer gefüllt werden. Mit einem Deckel dicht verschlossen, "reift" die Maische über ein Jahr lang bis zum nächsten Winter.

    80 Liter in guten Jahren

    Dann wird der Inhalt des Fasses in einen großen Kessel gefüllt und mehrere Stunden zum Rohbrand geköchelt. Es folgt ein weiterer Kochvorgang aus dem nach der Filterung der "reine" Enzian gewonnen wird. Die "Brenntage" müssen beim Hauptzollamt in Stuttgart angemeldet werden. Und es muss Branntweinsteuer gezahlt werden.

    "In guten Jahren", so Mayer, werden 80 Liter produziert. Abnehmer gibt es mehr, als die Familie herstellen kann. Der Enzian ist im Allgäu ebenso beliebt wie in Übersee, beim "Mütterle in Obermaiselstein" und beim Gastwirt in Kanada. Theresia Mayer trinkt ihn auch, "aber nur bei Sodbrennen".

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