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Im Bauch der Brücke

Kempten

Im Bauch der Brücke

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    Im Bauch der Brücke
    Im Bauch der Brücke Foto: hermann ernst

    Wie grün das Wasser der Iller aussieht an dieser Stelle. Ein Windstoß fängt sich zwischen den Holzbalken, hinterlässt ein leichtes Schaudern. 40 Meter über dem Abgrund befällt selbst Schwindelfreie ein Kribbeln. Sind es doch nur einige schmale Planken, die vor dem Absturz in die Tiefe bewahren.

    Vor dem nächsten Schritt ein unwillkürlicher Belastungstest mit der Schuhspitze. Andererseits: Was soll schon geschehen auf einem Bauwerk, dem die Jahrzehnte kaum etwas abhaben konnten? Elf Brücken führen in Kempten über die Iller - keine Zweite ist so alt wie die König-Ludwig-Brücke. 158 Jahre hat das Bauwerk an der Kreuzung Schumacherring/Kotterner Straße auf dem Buckel - und ist damit die einzige noch erhaltene Brücke dieser Art in ganz Deutschland.

    Reimund Schwarz, Brückenfachmann und stellvertretender Tiefbauamtsleiter, geht mit zügigem Schritt durch den Bauch der Brücke. Er kennt sie wie kein anderer, beschäftigt sich seit Jahren sowohl mit alten Plänen als auch aktuellen Problemen des Bauwerks. Dessen Geschichte begann damit, dass der bayerische König Ludwig I. den Bau der Eisenbahnstrecke Augsburg-Lindau beschloss.

    Damit ab April 1852 Züge den 120 Meter breiten Illereinschnitt überqueren konnten, wurde die Brücke errichtet.

    "Es handelt sich um eine Holzkonstruktion, die ursprünglich von einem amerikanischen Ingenieur entwickelt wurde", erzählt Schwarz. Schwere Eiche und eigens aus der Schweiz importiertes Lärchenholz wurden dafür verwendet.

    Während solche Brücken in Amerika weit verbreitet gewesen seien, habe es hierzulande nur wenige Exemplare gegeben - und nur die Kemptener Brücke stehe bis heute. Trotz der Sprengung durch die Wehrmacht zu Kriegsende. Allerdings rollen bereits seit über 100 Jahren keine Züge mehr über die Brücke. Den zunehmend schweren Lokomotiven war das Holzbauwerk nicht gewachsen. Deshalb entstanden ab 1904 die oberen Illerbrücken - die größten Stampfbetonbrücken der Welt.

    Die Holzbrücke wurde dagegen zum Überweg für Autos. Inzwischen überqueren nur noch Radfahrer und Fußgänger die Konstruktion, die ihren heutigen Namen 1988 erhielt. Damals wurde die Brücke stark umgebaut und verschmälert. Das Entfernen einer Holzverschalung beschäftigt Brückenfachmann Schwarz bis heute: Sonne und Feuchtigkeit setzen seither der Südseite zu. 2005 wurde dem Bauwerk eine rund 15000 Euro teure "Sonnenbrille" aufgesetzt - ein Netz aus Kunstfaser. Schwarz: "Damit haben wir die Holzalterung verlangsamt - ganz stoppen konnten wir sie nicht."

    Besichtigung am Sonntag beim Tag des offenen Denkmals ab 10 Uhr. Auf einem Großbildschirm im Inneren werden Filme zu Kemptener Brücken gezeigt, es gibt alte Dokumente und Modelle.

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