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Im Allgäu grassiert Rabattitis

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Im Allgäu grassiert Rabattitis

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    Von Stefan Binzer, Kempten/Memmingen/Oberstdorf - Kein Witz: Im Allgäu gibt es Geschäfte, die auf bestimmte Produkte '100 Prozent Preisnachlass' geben. In Oberstdorf wirbt ein Hotel sogar mit dem Slogan 'Zahlen Sie, was Sie wollen'. Das Haus musste daraufhin einem Gast das Zimmer für einen Euro pro Nacht überlassen. Zwei von inzwischen unzähligen Beispielen, die belegen, dass auch in der Region zwischen Bodensee, Königsschlössern und Pfarrer Kneipp-Land das Schnäppchen-Fieber und die 'Rabattitis' grassieren. Heute auf den Tag genau vor einem Jahr ist das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung aus den Jahren 1932 und 1933 weggefallen. In den ersten Monaten nach der Aufhebung hat das kaum zu gravierenden Veränderungen zwischen Händlern und Verbrauchern geführt. Das große Feilschen wie auf einem orientalischen Basar blieb hierzulande aus. Den Nachlass-Stein ins Rollen gebracht hat dann die Teuro-Diskussion. Daraufhin entfachten auf der Suche nach neuen Kunden zunächst die großen Handelsketten die Rabattwut. Inzwischen haben auch viele Einzelhändler nachgezogen. 25 oder 30 Prozent Bonus an der Ladentheke oder über Coupons und Kundenkarten sind inzwischen eher die Regel als die Ausnahme. Der Kunde muss allerdings genau hinsehen, um allzu günstigen Offerten nicht auf den Leim zu gehen. Ein Brillenfachgeschäft im Oberallgäu verspricht 'bis zu 100 Prozent Rabatt'. Bei näherem Hinschauen bezieht sich das auf 'pro Lebensjahr ein Prozent Rabatt auf alle Fassungen': Ein Hundertjähriger würde also nichts für die Fassung zahlen, wohl aber den Preis für die Gläser. Ob schon ein Hundertjähriger gekommen sei? Eine Mitarbeiterin des Brillengeschäfts sagt 'Nein. Aber ein paar 80-Jährige haben sich schon Brillen gekauft und somit 80 Prozent der Kosten für die Fassung gespart.'

    In der 'Sauren-Gurken-Zeit' Einen bis zur Null-Linie offenen Rabatt gewährt das Hotel 'Mohren' in Oberstdorf (Oberallgäu). 'Man muss einkalkulieren, dass einzelne Gäste so gut wie nichts zahlen', erklärt Katja Leveringhaus von 'Oberstdorf Event'. Die Agentur macht für das Hotel Mohren das Marketing. Aber laut Leveringhaus rechne sich die Sache trotzdem. Das Angebot gilt in der 'Sauren-Gurken-Zeit'. Der November - sonst absolut tote Hose zwischen im 'Mohren' fast ausgebucht. Und die meisten Gäste würden freiwillig den regulären Preis bezahlen. 'Unterm Strich liegen wir beim Umsatz in diesen Zeiten nur 15 Prozent unterm Schnitt', rechnet Leveringhaus vor, dass die Aktion 'sich toll bewährt hat.' Aussagen über den Effekt anderer Nachlass-Angebote liegen gegenwärtig noch nicht vor. Als Ursache für die Rabatte nennen die meisten Händler die 'schlechte konjunkturelle Lage' und die 'Kaufzurückhaltung' der Kunden. Um dies aufzufangen 'versucht jeder seine Umsätze mit entsprechenden Rabatt-Aktionen zu retten', sagt Markus Hartmann, stellvertretender Vorsitzender des Memminger Einzelhandelsverbandes. 'Solche Rabatte sind mehr oder weniger erfolgreich', relativiert Wolfgang Specht, geschäftsführender Gesellschafter der Kemptener Unternehmensgruppe Specht mit insgesamt zehn Filialen (darunter 'Mode Wagner'). Trotz aller Preisnachlässe und Marketing-Clous glaubt Specht, dieses Jahr 'ist für den Handel kaputt'. Auch Klaus Fischer, Leiter der Regionalgeschäftsstelle Allgäu der Industrie- und Handelskammer (IHK) für Augsburg und Schwaben, ist skeptisch: 'Dem einzelnen Händler bringt ein Rabatt vielleicht kurzfristig etwas. Gesamtwirtschaftlich bringen solche Aktionen langfristig aber nichts.' Außerdem, so Fischer, seien viele Rabatt-Aktionen wettbewerbsrechtlich nicht in Ordnung. 'Die Geschäfte dürfen zwar Rabatte geben, aber nicht damit werben.' Die Ladenbesitzer würden aber momentan sehr stark die Grenzen der Rechtsprechung austesten. Und: 'Die Gerichte werden in dieser Frage auch immer lockerer', hat Fischer beobachtet.

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