Gut vier Wochen nach dem offiziellen Start des Ausbildungsjahres zeigt sich ein deutlicher Nachholeffekt auf dem Ausbildungsmarkt. Allein im September sind bei der IHK Schwaben noch einmal zusätzlich fast 1.000 Verträge für das laufende Jahr eingegangen. Damit bestätigen sich die Prognosen: "Der coronabedingte Lockdown hat den Findungsprozess im Frühjahr komplett lahmgelegt und viele Unternehmen bei der Suche nach Auszubildenden ausgebremst. Jetzt wird vieles nachgeholt. Auch weil die jungen Menschen erkennen, dass die Wirtschaft sich erholt und beste berufliche Perspektiven bietet", sagt Markus Brehm, Vorsitzender der IHK-Regionalversammlung Kempten und Oberallgäu. Die Zahl der neuen Auszubildenden ist schwabenweit auf knapp 8.000 gestiegen. Das entspricht fast 90 Prozent des Vorjahresniveaus. Im Landkreis Oberallgäu und in der Stadt Kempten liegt die Zahl der Neuverträge mit 1.128 bei rund 95 Prozent des Vorjahresniveaus. 2019 waren es zum gleichen Zeitpunkt 1.192 Neuverträge. Im September sind noch einmal 159 neue Verträge aus dem Landkreis Oberallgäu und aus Kempten bei der IHK Schwaben eingegangen. "Diese Zahlen stimmen uns zuversichtlich, dass das Minus bis zum Jahresende noch weiter schrumpft", sagt Brehm. Insbesondere in den kaufmännischen Berufen gab es in den letzten Wochen noch einmal deutliche Zuwächse.
Wirtschaftliche Unsicherheit schreckt Bewerber ab
Ein Rückgang bei der Zahl der Neuverträge im Vergleich zum Vorjahr ist vor allem im Bereich Metall und Elektro, im Transportsektor sowie im Hotel- und Gastgewerbe zu verzeichnen. Neben der Corona-Krise dürften Faktoren wie der demografische Wandel oder branchenspezifische Herausforderungen eine Rolle gespielt haben. "Auf Bewerberseite hat sich die coronabedingte Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung deutlich gezeigt", berichtet Robert Frank, IHK-Vizepräsident für Kempten und das Oberallgäu. Viele Schulabgänger hätten sich angesichts der konjunkturellen Lage häufiger als in den vergangenen Jahren für eine weiterführende Schule statt für eine duale Ausbildung entschieden. "Auch hier rechnen wir aufgrund der deutlich besseren wirtschaftlichen Situation unserer Unternehmen wieder mit einer Zunahme der Bewerberzahlen", sagt Frank.
Mehr offene Stellen als Bewerber
Nach wie vor gibt es einen großen Überhang offener Stellen. Jedem Bewerber standen in Bayerisch-Schwaben rein rechnerisch drei Ausbildungsplätze gegenüber. "Die Chancen für junge Menschen, einen Ausbildungsplatz zu erhalten, stehen auch in diesem Jahr sehr gut", betont Vizepräsident Frank. Mit zahlreichen Maßnahmen will die IHK Schwaben in den kommenden Monaten dazu beitragen, den Ausbildungsmarkt weiter zu stabilisieren. "Der Nachwuchs an Fachkräften ist für die Unternehmen im Landkreis Oberallgäu und in Kempten weiter ein drängendes Thema. Daran wird die Corona-Krise nichts ändern. Daher müssen wir alles daransetzen, das Ausbildungsniveau hochzuhalten", sagt Brehm. Die IHK Schwaben legt ein besonderes Augenmerk auf eine gezielte Nachvermittlung. Dabei kümmern sich Experten der IHK in individuellen Beratungen um Unternehmen, die weiter einen Auszubildenden suchen, oder um Schulabgänger, die noch in diesem Jahr mit einer Ausbildung starten möchten. Dazu steht man in engem Kontakt mit weiterführenden Schulen.
Erfolgreiche Projekte laufen bereits
Flankiert werden diese Bemühungen durch Projekte wie die Schulpartnerschaften oder die Ausbildungsscouts. Sobald es die Corona-Maßnahmen erlauben, werden die Scouts wieder an Schulen zu finden sein. Auch eine digitale Lösung wurde inzwischen entwickelt. Ein neu aufgelegtes Projekt soll Studienabbrecher und -zweifler ansprechen und über die duale Ausbildung als Alternative zur Uni oder Hochschule informieren. Die Kampagne "Elternstolz", die im Herbst startet, richtet sich vor allem an Eltern, die man für das Thema Berufswahl sensibilisieren will. Bereits zuletzt hatte die IHK Schwaben dem drohenden Einbruch auf dem Ausbildungsmarkt erfolgreich gegengesteuert: mit digitalen Formaten für das Azubi-Recruiting wie einem virtuellen Speed-Dating, einer weiter ausgebauten Online-Jobbörse oder gezielten und individuellen Nachvermittlungsaktionen. "Diese Anstrengungen werden wir fortführen", sagt Frank.