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"Ich würde alles genauso wieder machen"

Oberstdorf

"Ich würde alles genauso wieder machen"

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    Fluchthilfe, Verrat, Verhaftung und Verhöre im Gefängnis der Staatssicherheit der DDR: Es war schwere Kost, die Karl-Heinz Richter den Zehntklässlern des Oberstdorfer Gertrud-von-le-FortGymnasiums servierte. Als Vorbereitung auf eine Studienfahrt im April, die die Schüler auch nach Höhenschonhausen bei Berlin führen wird, berichtete der einstige StasiGefangene über sein Schicksal.

    Dies waren knapp zwei Stunden spannender Geschichtsunterricht, der bei den Jugendlichen durch die Bank Eindruck hinterließ. Maria und Evelyn brachten es auf den Punkt: "Wir haben unsere Klasse selten so konzentriert und aufmerksam erlebt", sagten die Schülerinnen nach dem Vortrag des Berliners.

    Am eigenen Beispiel schilderte Karl-Heinz Richter den Zehntklässlern drastisch, wie Diktaturen mit Andersdenkenden umgehen. Richter, der in der Gedenkstätte Hohenschönhausen als politischer Referent Führungen leitet und mit seinem autobiografischen Büchern bundesweit in Schulen geht, traf damit die Jugendlichen voll am Nerv. Hilfreich waren ihm seine authentische "Berliner Schnauze" und sein Humor, der ihm trotz aller Tragik nicht verloren ging. So folgte auf den Bericht der grausamsten psychischen und physischen Folter ein augenzwinkernder Witz, der den Schülern die Anspannung nahm.

    Der 63-Jährige berichtete, wie er sich als 17-jähriger Oberschüler mit dem Mauerbau nicht abfinden mochte, etlichen Freunden zur Flucht verhalf, sich bei seinem eigenen Fluchtversuch beide Beine brach, von einem Kumpel verraten wurde und schwer verletzt im Gefängnis landete.

    Zwar durfte Richter 1975 aus der DDR ausreisen. Er machte sich aber mit falschem Pass erneut in den Osten Deutschlands auf und verhalf hochkarätigen Medizinern zur Flucht. "Dass die Elite ging, traf die Machthaber empfindlich", erklärte er den Schülern. Sein weiteres Leben verbrachte er auf der Flucht vor der Stasi - in Westafrika, Saudi-Arabien und im Jemen. Kinoreif sei das Ganze, meint auch Produzent Bernd Eichinger, der sich inzwischen mit der Verfilmung des Richterschen Lebens befasst.

    Die Schüler interessierte anschließend, wie die Familie mit einem Leben auf der Flucht klargekommen sei. Seine Tochter werfe ihm Rücksichtslosigkeit vor und habe mit ihm gebrochen, bedauerte Richter. Aber: "Ich würde alles genauso wieder machen", versicherte er. Richter appellierte an die jungen Zuhörer, sich politisch zu engagieren und Demokratie nicht als etwas Selbstverständliches zu nehmen.

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