Sonthofener Familie nach Urteil erleichtert Zaun muss an Bach errichtet werden. Von Ulrich Weigel Sonthofen'Wir hatten fast nicht mehr damit gerechnet.' Glücklich und erleichtert ist die Sonthofener Familie Herz nach dem Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts. Das hob wie berichtet zwei vorher ergangene Urteile auf. Nun müssen die Eigentümer der Wohnanlage einen Zaun am Mühlbach aufstellen, den 'Kinder nicht ohne weiteres' überwinden. Der ursprünglich gebaute Zaun reiche nicht aus, so das Gericht.
Der Bach, eigentlich ein Triebwerkskanal zur Gewinnung von Wasserkraft, ist mit seinem steil abfallenden Ufer nach Ansicht des Obersten Landesgerichts besonders für Kinder gefährlich. Früher gab es im Bereich Mühlbach mehrmals tödliche Unfälle. Zuletzt fiel Anfang der 90er Jahre ein Mann in den Triebwerkskanal und ertrank, sagt Polizei-Sprecher Hackenberg. Im Rotbach, der mündet in den Mühlbach, ertrank 1982 ein eineinhalbjähriges Kind. Nicht ohne Grund fordert der Wasserverband der Ostrach-Triebwerkskanäle daher bei Bauvorhaben, den Zugang zu den Wasserläufen für Unbefugte und Kinder zu verhindern, wie Vorsitzender Erwin Bischofberger bestätigt.
Doch das Amtsgericht Sonthofen und das Landgericht Kempten urteilten 1999, die Mutter müsse ihre Kinder eben entsprechend beaufsichtigen. 'Die von uns geforderte Interessensabwägung zwischen dem nicht ausgeübten Nutzungsrecht der Wohnungseigentümer und dem Leben der Kinder hat das Landgericht Kempten nicht vorgenommen', sagt der Immenstädter Rechtsanwalt Klemens Klein. Jetzt habe das Oberste Landesgericht mit seinem kinderfreundlichen Urteil den Schutz des Lebens über alles gestellt.
'Wer Kinder hat, weiß wie schnell die sein können', betont Petra Herz-Böck. Die paar Meter von der Terrasse zum Bach schaffe ein Kind, drehe man ihm nur einen Moment den Rücken zu. 'Was ist dann erst bei einer kurzen Störung, wenn Telefon oder Türglocke klingelt?', warnt Ehemann Stefan Böck. Zudem: Die Mutter muss sich neben dem zweijährigen Dennis auch um dessen großen Bruder Raphael kümmern und erwartet im August ihr drittes Kind.
Ausgangspunkt des Streits war ein provisorischer grüner Schneefangzaun, den die Mutter aufgestellt hatte, um einen Sturz der Kinder in den Mühlbach zu verhindern. Das Problem: Bei diesem schmalen Streifen zwischen der kleinen Terrasse und dem Bach handelt es sich um Gemeinschaftsgrund, der allen Eigentümern zugänglich sein muss. Und die störten sich mehrheitlich an dem Schneezaun, klagten auf Beseitigung.
Den Bach hinunter ist die Stimmung in dem Haus mit seinen sechs Eigentümern vier hatten geklagt. Das Klima ist eisig: Einige Nachbarn grüßen nicht mehr. Wenn die Kinder laut sind, wird geklopft. 'Wohnen macht da gerade keinen Spaß', bewertet die Hausverwaltung Guggemoos die 'katastrophale Stimmung'. Erste Eigentümer wollten nun ihre Wohnung verkaufen. Laut Hausverwaltung folgt in den nächsten Wochen eine Eigentümer-Versammlung, bei der über die Art des neuen Zauns entschieden wird.
Nach dem Urteil müssen die vier Nachbar-Parteien nun 75 Prozent der Gerichtskosten übernehmen. Ein Viertel bleibt an der Familie hängen, die das aber über ihre Rechtsschutzversicherung abdecken kann.