Was Außenstehende oft als Theater-Fieber, Theatervirus oder Ausnahmezustand erleben, ist für Peter Klüpfel eine Selbstverständlichkeit. "Da macht man mit, da gibts nix anders", sagt er. Wenn Freilichtspielzeit in Altusried ist - der Name Klüpfel fehlt nie. Mehrere Sprechrollen sind in der Regel mit einem Mitglied der weit verzweigten Familie besetzt, die anderen machen beim Volk mit oder marschieren als Soldaten auf.
Doch die Rollen sind nicht wichtig, Hauptsache man ist dabei, betont Klüpfel. Seit 1952 ist der 64-jährige Altusrieder aktiver Freilichtspieler und erinnert sich noch gut an seinen ersten Auftritt als kleiner Tell-Bub an der Seite seines Vaters Clemens, der den Titelhelden verkörperte. Seither ist "Wilhelm Tell" sein Lieblingsstück - auch wegen der "wunderbaren Sprache".
Die Begeisterung fürs Freilichtspiel hat Peter Klüpfel nicht mehr losgelassen. Kein Wunder, denn die Leidenschaft fürs Theater war ihm und seinen fünf Geschwistern in die Wiege gelegt worden. Der Vater gehörte zu jener Gruppe, welche die Freilichtspiele nach dem Zweiten Weltkrieg wieder belebte. Und schon der Großvater hatte in den 1930er Jahren zu den Aktiven der Freilichtspiele gehört. "Obwohl wir eine Metzgerei, ein Gasthaus und eine Landwirtschaft hatten, spielte der Vater immer mit," erzählt Klüpfel.
Seine Frau Susi, die aus Kempten nach Altusried kam, wurde ebenfalls von der Begeisterung gepackt und in die Spielerschar aufgenommen. "Nur 1982 war ich nicht dabei, als unser Florian noch ganz klein war", sagt sie. "Aber das war gar nichts." Regelrecht einsam sei sie gewesen, abgeschnitten vom Geschehen. "Da sitzt man dann daheim und wartet, kriegt nichts mit, kann nicht mitreden." Danach hat sie keine Spielsaison mehr ausgelassen, immer mit Freude im "Volk" mitgespielt.
Peter Klüpfel hat sich diesmal nicht um eine Sprechrolle beworben. "Heuer will ichs ruhiger angehen und mehr für die Familie da sein." So wie früher die Kinder werden jetzt die Enkel mitgenommen. Besonders gern kümmern sich die Großeltern um die dreijährige Leni und um Levi, den jüngsten Spross der Klüpfels, gerade mal sechs Monate alt.
Er dürfte der wohl kleinste Spieler beim diesjährigen "Andreas Hofer" sein. Seine Mutter Johanna ist die Regieassistentin von Spielleiter Thomas Bayer, sein Vater Volker mischt beim Volk mit. Dort wird Levi mit Tiroler-Hütchen und passendem Mini-Häs mitgetragen, und beim Festzug fährt er im gut gepolsterten Leiterwagen. So funktioniert Nachwuchsförderung für die Freilichtspiele. Seine Opa-Pflichten erfüllt Peter Klüpfel auch hinter den Kulissen: "Wenn geschossen wird, gehen wir weit genug nach hinten", erklärt er. Ohnehin lässt sich der Kleine durch das Getümmel auf der Bühne und dahinter nicht aus der Ruhe bringen.
Selbstgebastelte Krücke
Ein paar Rädchen im riesigen Uhrwerk der Freilichtspiele halten die Klüpfels also seit Jahrzehnten am Laufen, und ans Aussteigen haben sie nie gedacht. "Der Vater würde sich ja im Grab rumdrehen," meint Klüpfel lachend. "Ich höre erst auf, wenn ich nicht mehr laufen kann." Doch wer weiß, vielleicht schleppt er sich auch dann noch auf auf die Naturbühne. Schon beim diesjährigen "Hofer" humpelt er mit selbstgebastelter Krücke als Invalide durch die Szene.