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Ich hänge mit Leib und Seele dran

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Ich hänge mit Leib und Seele dran

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    Viel Resonanz bekommen wir auch heuer auf unseren Adventskalender. Manche Leser erhoffen sich - wie sonst so häufig - vom Mitraten bei den Türen-Fotos einen Preis. Doch leider müssen wir hier enttäuschen: Wer heute schon weiß, was sich hinter dem morgigen Türchen verbirgt, den erwartet keine Belohnung. Lediglich die Freude am Lesen einer Geschichte über das, was sich hinter einer Tür verbirgt, winkt als Gewinn. Doch eines ist gewiss: Ein andermal winken wieder 'richtige' Preise. Von Wolfgang Niederauer Marktoberdorf - Zugegeben, das war nicht einfach. Die Türe führt zum ältesten Heißmangelbetrieb Marktoberdorfs. Nach dem Kriege hat ihn Lorenz Baudrexl in einem Rückgebäude an der Meichelbeckstraße gegründet. Und auch heute noch firmiert die Mangelei unter seinem Namen, obwohl sie längst in die Hände der Tochter, Susi Kriemer, übergegangen ist. Viel hat sich seitdem verändert, weiß die 67-jährige Geschäftsfrau zu erzählen. Inzwischen gehören vorwiegend Privatleute zu ihren Stammkunden. Gaststätten, Hotels und selbst Pensionen sind schon vor Jahren zu den Großwäschereien abgewandert. Dadurch gibt es mittlerweile nur noch wenige Mangeleien im Marktoberdorfer Raum. Über zu wenig Arbeit klagt Susi Kriemer aber nicht. Wenn die Festtage vorüber sind, bringen viele ihre Tischwäsche und Vorhänge vorbei. Dann beginnt bei ihr das Weihnachtsgeschäft. In ihrem übervollen Arbeitsraum drängen sich hohe Regale mit abholbereiten Paketen. Auf schweren Tischen stapeln sich Betttücher und Laken. Hemden hängen aufgereiht an der Stange. Irgendwo dazwischen stehen noch die drei Heißmangeln. Man kann sich fast nicht um die eigene Achse drehen.

    'Nein', wehrt Susi Kriemer aber ab, 'den Überblick habe ich schon'. Sie bewahrt einen kühlen Kopf. Alles hat seinen Platz. Hemden werden mit verschieden bunten Fäden markiert. Wem was gehört, ist ihr ohnehin in Fleisch und Blut übergangenen. Wohin man blickt: Körbe über Körbe. 'Die da', und deutet hinaus auf den Gang, 'kom-men als nächstes dran'. Im Raum daneben, einem alten Speicher, stehen reihenweise Plastikkörbe, gefüllt mit fertig gemangelter Wäsche. 'Im Winter wird es da drin eisig kalt', erzählt sie. Während des Krieges seien da französische Soldaten eingesperrt gewesen. Behaglich dagegen ist es in ihrem kleinen Reich. Die Heißmangeln verströmen eine dampfige Wärme. 'Vorsicht, die Maschine ist noch heiß', warnt sie eine ältere Frau, die gerade ihr Bettwäschebündel abholen kommt. Familiär geht es zu in Baudrexls Mangelei. Immer ist noch Zeit für einen kleinen Plausch. Man tauscht Persönliches aus, erkundigt sich nach der Gesundheit. Manche Leute kommen stets zur gleichen Zeit. 'Da kann ich die Uhr danach stellen', schmunzelt Susi Kriemer. Ein alleinstehen-der Herr bringt seit 40 Jahren die Wäsche vorbei. Bei so viel Treue wird klar, dass sie ans Aufhören nicht recht denken mag. 'Eigentlich könnte ich mich längst zur Ruhe setzen', meint sie, aber 'ich hänge mit Leib und Seele dran.'.

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