In der Urlaubszeit gehen wir mit Ihnen auf Reisen. Dazu beschreiben Ostallgäuer ausländischer Herkunft Seiten ihres Heimatlandes, die der Tourist nicht immer bemerkt. Iyi yolculuklar, gute Reise, heute in die Türkei.
Marktoberdorf Ob die klasse Restaurants unterhalb der Bosporusbrücke, "wo du direkt auf dem Meer sitzt", die "unwahrscheinlich" modernen Einkaufszentren, in denen man sich schier verläuft, die Discoschiffe oder die "echt schöne" blaue Moschee: Wer Esra Altin von Istanbul erzählen hört, dem bleibt die Liebe, die sie zu dieser Weltstadt zwischen Orient und Okzident verspürt, nicht verborgen.
Die gebürtige Türkin, die eine Schneiderei in Marktoberdorf betreibt, stellt die fortschrittlichen Seiten des Landes heraus. Gerade in Istanbul ist ihr zufolge das Lebensgefühl entspannter, zudem sei Istanbul bei der Mode ganz weit vorn. Was Kleidung betrifft, sei die Metropole am Bosporus vergleichbar mit Italien oder Paris. "Was dort zu sehen ist, gibt es hier erst zwei Jahre später", sagt die 36-jährige Schneiderin.
Und neben mancher - religionsbedingt verhüllter - Frau seien dort durchaus freizügige Erscheinungen zu bewundern. Ihr Fazit: Die Türkei muss man erleben.
"Man sollte die Gefahr nicht herausfordern"
Das gelte aber nicht für jeden Landesteil. In Ostanatolien auf eigene Faust Touren zu unternehmen, empfiehlt sie Urlaubern nicht. Wenn etwas passiere, heiße es wieder, in der Türkei sei es schlimm, meint die Muslimin: "Dabei ist bekannt, dass es da unsicher ist. Man sollte die Gefahr nicht herausfordern." In Deutschland fühle sie sich dagegen überall sicher. Auch was Gesundheit, Schule und soziale Sicherheit angeht, sei Deutschland der Türkei voraus. "Wer hier seine Arbeit verliert, sitzt nicht gleich auf der Straße", so Altin. Am Bosporus sei der Sozialstaat erst langsam im Aufbau: "Wer dort keine Arbeit hat, hat erstmal nichts zu essen."
Die guten deutschen Arbeits- und Ausbildungsbedingungen waren auch der Grund dafür, dass es Altin 1994 nach Marktoberdorf verschlug - zu ihrer Tante. Als Neunjährige war sie zuvor mit ihrer Familie von der Türkei nach Boston (USA) gegangen, wo ihr Vater als Chemieingenieur arbeitete.
In Marktoberdorf lernte sie beim "Sepp" Hotelfachfrau, machte anschließend ihren Hotelbetriebswirt und leitete ein Hotel in Wiggensbach. Da sie komplett selbstständig sein wollte, übernahm sie vor wenigen Jahren dann die Schneiderei ihrer Tante - mit vielen Stammkunden. "Ich komme nicht durch die Stadt, ohne ständig jemanden zu grüßen." Das sei der Vorteil von Marktoberdorf, wo jeder jeden kennt. "In der Großstadt interessiert sich niemand für dich."
Trotzdem kann die ehemalige Istanbulerin und Bostonerin nicht ganz ohne Stadtluft leben. In Marktoberdorf oder auch in Neugablonz, wo sie inzwischen mit ihrem deutschen Lebensgefährten und zwei kleinen Kindern lebt, gingen schon um 20 Uhr die Rollos zu. Gern verbringt sie daher ganze Tage zum Bummeln in München, Ulm oder Augsburg.
Noch lieber würde sie aber wieder in ihrem Geburtsland leben: "Ich bin wahnsinnig gern Türkin. Das ist einfach in mir drin." Ohne finanzielle Absicherung sieht sie dafür aber keine Chance. Deshalb beschränkt sie sich vorerst darauf, ihre Kinder zweisprachig aufwachsen zu lassen und immer wieder mal Urlaub in der Türkei zu machen: in Istanbul oder in Alanya an der türkischen Riviera mit ihren "weichen Traumstränden".