Von Eva-Maria Frieder, Kammlach - 'Dumme rennen. Kluge warten. Weise gehen in den Garten', sagt eine Sentenz aus dem alten China. Wenn das Sprichwort recht hat - und vieles spricht dafür -, dann sind Dr. Werner Müller und seine Frau Johanna ziemlich weise, denn sie verbringen einen Großteil ihrer Zeit im Garten. Das ist allerdings auch ein ganz besonderer Garten. Dort leben die Gräfin von Paris und die Gute Luise friedlich neben Frau Maurus aus Markt Rettenbach und Frau Gast aus Unteregg. Dass die ersten beiden Birnen sind, ist nicht schwer zu erraten. Aber dass Frau Maurus und Frau Gast zwei Pfingstrosensorten ihren Namen gaben, wissen nur die Müllers selber. Sie nennen die Pflanzen deshalb so, weil sie sie irgendwann von den zwei freundlichen Damen gegen andere Pfingstrosensorten aus ihrem Garten eingetauscht haben. Die 'Päonie' ist nämlich Werner Müllers Leidenschaft, und um seine Sammlung zu ergänzen, geht er immer wieder auf Tour durch den Landkreis und linst über Zäune in fremde Gärten. Hat er ein Objekt seiner Begierde entdeckt, dann klingelt er einfach an der Haustür und bietet einen Rosentausch an - ein Begehr, das bei passionierten Gärtnern nie schlecht ankommt. 'Fast immer sind es alte Damen, die Pfingstrosen ziehen,' stellt Müller etwas verwundert fest. Seine Frau sagt dazu mit liebevoll-leiser Ironie in der Stimme: 'Nur die ganz Extremen, das sind dann die Männer.
..' Einen gewissen Hang zum Exzessiven kann man dem Zahnarzt in der Tat nicht ganz absprechen. Auf seinem schön eingewachsenen 5000-Quadratmeter-Grundstück hat er einen eigenen Päoniengarten angelegt, in dem 117 Sorten dieser Art prachtvoll gedeihen, darunter einige botanische Raritäten. Zwar ist die Blütezeit der Pfingstrosen eher kurz, aber bei so vielen Sorten blüht zwischen Mai und Juli immer etwas. Seien es einfache weiße, zartblättrige mit dicken gelben Staubgefäßen, üppig gefüllte, leuchtend rote, die glühen wie die Flammenzungen des Heiligen Geistes, oder cremeweiße, violett geflammte - jede Pfingstrose hat ihren eigenen Reiz. Dazwischen setzen anmutige Akeleien, opulente lila Schwertlilien und zarte türkise Vergissmeinnicht hingetupfte Akzente. Graswege trennen die Beete, ein einfacher Zaun hält Rehe, Hasen und das Hausschaf vom Naschen ab. Das ehemalige Bauernhaus und den Grund drumherum haben die Müllers schon vor 28 Jahren erworben und lange Zeit nur als Ferienhaus genutzt, ganz hier eingezogen sind sie erst, nachdem sich die drei Kinder selbstständig gemacht hatten. Das Gärtnern hat Tradition in ihrer Familie. In einiger Entfernung vom Haus hat Müller eine besondere Vision verwirklicht: Da wächst ein Wäldchen aus 100 ausgefallenen Baumarten heran, insbesondere Eichen, aber auch Esskastanien, Ebereschen, Ahorne, ein Lebkuchen- und ein Götterbaum. Das könnte einmal, meint er, Schulklassen und Hobbybotanikern als Lehrgarten dienen. Außerdem träumt er von einer Streuobstwiese. Dafür reicht allerdings der Platz auf dem Grundstück nicht aus. Aber die Müllers sind Gärtner, sie sind es gewohnt zu warten. Weise Menschen haben es eben nicht eilig.