Am Anfang stand ein Rauswurf. Helmut Rothmayr weiß bis heute nicht so ganz genau, warum die Gruppenleiterin der Kolpingjugend ihn, den 17-Jährigen, nicht mehr dabeihaben wollte. War er zu dominant, zu bestimmend? Wie auch immer: Sie gab 1972 unfreiwillig den Startschuss für ein Projekt, das im Allgäu seinesgleichen sucht.
Rothmayr liebte Rhythmusmessen in der Kirche. Und nun scharte er eine Gruppe Gleichgesinnter um sich, um sein Hobby ohne Kolping umzusetzen. Genau 18 Leute zählte der Chor, den sie gründeten. Und nannten ihn schlicht und einfach 'Wir 18'.
Im Laufe der vergangenen 40 Jahre wurde aus dem Häuflein Unbeugsamer die wohl bekannteste Musical- und Showgruppe des Allgäus. Ihr Vordenker, Antreiber, Dirigent und Manager: Helmut Rothmayr. Heute zählt der Chor 50 Sängerinnen und Sänger von 12 bis 68 Jahren.
Dazu kommen 20 Musiker und 20 Techniker. Wenn Wir 18 am nächsten Wochenende das Jubiläum mit einer aufwändigen 'Zeitreise' über ihre 40-jährige Geschichte begeht, werden nahezu 100 Menschen auf und hinter der Big-Box-Bühne aktiv sein. Sie feiern eine Erfolgsstory die ihresgleichen sucht.
Das Komponieren hat er sich selbst beigebracht
Anfangs war Rothmayr Dirigent und E-Bass-Spieler von Wir 18. Im Laufe der Jahre brachte er sich selbst das Keyboardspielen bei, um arrangieren und komponieren zu können. Auch die Texte schrieb er. Einen Kurs hat er nie besucht. 'Learning by Doing' hieß sein Motto. Eine erfolgreiche Sache.
Was immer Wir 18 nach längerer Anlaufzeit ab Mitte der 1980er Jahre auf die Bühne brachte – den Leuten gefiel’s. Bis heute haben 200 000 Menschen die Shows gesehen und bejubelt. Immer wurde mit eigenen Leuten gearbeitet, nie verpflichtete Wir 18 Profis von außen. 'Wir sind nur so gut oder schlecht, wie wir sind', sagt Rothmayr und lächelt. 'Wir kaufen keine Leute ein.'
1993, als die Gruppe schon über 20 Jahre auf dem Buckel hatte, brachte Wir 18 das erste abendfüllende Musical auf die Bühne: Andrew Lloyd Webbers 'Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat'. 28 ausverkaufte Vorstellungen im 1000 Besucher fassenden Hofgarten in Immenstadt. Der Wannsinn. Seither, sagt Rothmayr, habe es nur noch ausverkaufte Konzerte und Musicals gegeben. Auch für die drei Jubiläumsshows in der Big Box sind die Karten längst weg.
Für Helmut Rothmayr und seine Leute ist jede Produktion eine riesige Herausforderung. Schließlich arbeiten alle ehrenamtlich. Auch Rothmayr. Von Beruf ist er Kaufmann. Nicht einmal er, der fast jede freie Minute in das Wir-18-Projekt steckt, erhält eine Aufwandsentschädigung. 'Bei uns ist jeder gleich viel wert.
' Jede Mark, jeder Euro, den Wir 18 verdient, fließt in neue Produktionen, Instrumente, Verstärker- und Lichtanlagen. Oder Ausflüge. Der Überschuss wird gespendet. 180 000 Euro gingen bisher an Kinderhilfswerke.
Bevor der Musikfanatiker Rothmayr sich hinsetzt, um eine neue Produktion zu planen, muss er sich das Okay der ganzen Truppe und seiner Frau Thea holen. Bis dann ein neues Musical fertig ist, dauert es ein paar Jahre. Viele Nächte gehen dabei drauf. Und Wochenenden. Tagsüber führt Rothmayr in Oberstdorf die Geschäfte eines Autohauses mit. Inspirationen holt er sich gerne bei langen Spaziergängen oder beim Joggen. Aber eigentlich rattert es ständig in seinem Kopf.
Seit den Anfängen 1972 üben die Sänger und Instrumentalisten im Keller der Grundschule Altstädten. Der Werkraum wird dann zum Proberaum umfunktioniert. Eine Wandseite ist mit großen Spiegeln bestückt, damit auch die Choreografien erarbeitet werden können. Daneben wurde eine kleine, holzverkleidete Stube eingerichtet. Um nach den Proben zusammenzusitzen 'und alles nochmals durchzuquatschen', wie Rothmayr sagt. Manchmal wird es spät.
'Wir versuchen, dem Publikum Freude zu machen.'
Rothmayr gibt zu, dass das Projekt bisweilen Nerven kostet. '100 Leute heißt 100 Charaktere mit 100 Meinungen.' Das Ganze kann er nur durchziehen, weil seine Familie hinter ihm steht. Ehefrau Thea war von Anfang an dabei und sang wichtige Rollen. Tochter Tanja assistierte ihm beim Texten.
Wenn man Helmut Rothmayr nach einem Erfolgsgeheimnis fragt, antwortet er wie aus der Pistole geschossen: 'Normal bleiben. Starallüren sind bei uns fehl am Platz.' Aber dann kommt noch mehr. Rothmayr spricht von den Lehrjahren, die man durchgehalten habe, von dem Erfolg, der einen immer weiter treibt. Von den glücklichen Momenten, wenn dem einen oder anderen Zuhörer Tränen in den Augen stehen. 'Wir versuchen, dem Publikum Freude zu machen. Und daran haben wir Freude. Geld kann das gar nicht aufwiegen.'
Rothmayr ist jetzt 57 – und inzwischen auch Großvater. Wie lange wird er noch weitermachen? 'Es wäre schön, wenn wir gemeinsam alt werden könnten', sagt er. Das hört sich an, wie die Bilanz einer guten Ehe. 10 bis 15 weitere Jahre kann er sich gut vorstellen.
Für die drei Konzerte in der Big Box gibt es keine Karten mehr. Rothmayr schrieb ein Buch über Wir 18, das zusammen mit einer neuen CD auf der Homepage zu bestellen ist.