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Hartz oder das Entsetzen des Jahres 2004

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Hartz oder das Entsetzen des Jahres 2004

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    Kempten (pa). - 'Das Entsetzen des Jahres 2004' stand gestern im Kemptener Rathaus auf dem Programm. Kein Gruselfilm allerdings, sondern zentraler Tagesordnungspunkt auf einer Sitzung des Sozialausschusses des Bayerischen Städtetags. Der Vorsitzende dieses Gremiums, Dr. Peter Motsch aus Würzburg, hatte diesen abschreckenden Titel für 'Hartz 4' gewählt, die geplante Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Dem Sozialausschuss, der zuletzt vor neun Jahren in Kempten getagt hat, gehören 19 Vertreter bayerischer Städte an. Zwar handelt es sich dabei um Kommunen sehr unterschiedlicher Größe: So verwaltet beispielsweise Friedrich Graffe in München einen Sozialetat, der allein sieben Mal so groß ist wie der gesamte Kemptener Stadthaushalt. Doch im Prinzip plagen alle Städte die gleichen Sorgen. Und das sei, so Dr. Motsch, im Moment eben ganz besonders das 'Weihnachtsgeschenk Hartz 4'. Die Städte seien über dieses Gesetz und seine Auswirkungen 'enttäuscht und entsetzt, denn das belastet uns zusätzlich mit vielen Millionen'. Vor allem die Absicht, den Kommunen die vollen Unterkunfts- und Wohngeldkosten aufzubürden, degradiere sie zu bloßen Zahlmeistern.

    'Hauptverantwortung beim Bund' Insbesondere dieser Passus, so der Ausschussvorsitzende, 'muss zuallererst vom Tisch.' So sei das Gremium der Meinung, dass für die Langzeitarbeitslosen der Bund die Hauptverantwortung tragen müsse. Als weiteres Thema, das im Sozialausschuss für heiße Diskussionen sorgen werde (die Sitzung selbst war dann nichtöffentlich), nannte Motsch das neue bayerische Kindertagesstätten-Gesetz. Demnach sollen sich die staatlichen Zuschüsse nicht mehr an den Personalkosten, sondern an der Zahl der Kinder, der Plätze und deren Beanspruchung orientieren. Bei der Begrüßung der Ausschussmitglieder hatte auch OB Dr. Ulrich Netzer 'die vielen Ursachen von außen, die wir nicht mehr im Griff haben', beklagt. So habe eine Probeberechnung ergeben, dass die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe allein den Kemptener Stadtsäckel mit zusätzlichen Ausgaben von 3,8 Millionen Euro belasten werde. Demgegenüber sei die versprochene Entlastung der Kommunen durch die Reduzierung der Gewerbesteuer-Umlage so ausgefallen, 'dass wir gar nicht mehr wissen, was wir mit all dem Geld tun sollen', stellte Netzer ironisch fest. Als der OB schließlich erläuterte, dass in Kempten seit 2000 die Sozialhilfekosten um 48 und die Jugenhilfeausgaben um 38 Prozent gestiegen seien, nickten alle verständnisvoll: Auch das kennen sie von zu Hause . Dann war erst mal genug Trübsal geblasen. Und Dr. Peter Motsch lud den Gastgeber in seine Heimatstadt Würzburg ein: 'Wir haben zwar kein Geld mehr, aber feiern tun wir immer noch.'

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