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Harter Hund im Squash-Court

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Harter Hund im Squash-Court

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    Von unserem Redaktionsmitglied Jürgen Lutz, München/Kempten - In einem sind sich alle einig, die je mit Kevin Karam (51) im Squash-Court zu tun hatten: Er ist ein harter Hund. Mit gewisser Strenge fordert Karam von seinen Schützlingen vor allem Disziplin und die Bereitschaft, sich im Court zu quälen. 'Wenn es weh tut, darfst du bei ihm nicht aufhören. Erst dann bringt es dir wirklich was', sagt einer, der viele Jahre bei ihm trainierte. 'Er sagt dir, du musst deinen Gegner im Court vernichten', sagt ein anderer. 'Schleifer' sagt ein weiterer zu Karams Methodik, der seit kurzem den Nachwuchs des Landesliga-Aufsteigers 1. Squash-Club (SC) Kempten trainiert. Wie kommt nun der Südafrikaner zu dieser Einschätzung, und alle Beteiligten legen Wert darauf, dass es eine durchaus positiv gemeinte Wertschätzung ist.

    Erst mit 23 Jahren angefangen Als Jugendlicher lief er von zu Hause in Pretoria weg und lebte eine Zeitlang am Strand. 'Ich sorge für mich, seit ich 17 bin', sagt er. Dann begann er eine Lehre als Hotel-Kaufmann in Durban. Sein Chef war ein Italiener aus Como, der ihm viel von Europa erzählte. Im Hotel stieß Karam auf Squash. Der erste Glaswand-Court in Durban stand dort. Als sich bei einem Turnier die Welt-Elite die Klinke in die Hand gab, musste er sich um die Spieler kümmern. Damals war Karam 23. 'Ich habe den damaligen Weltmeister Jeff Hunt gefragt, was man tun muss, um Squash auf diesem Niveau zu spielen'. Hunt antwortete: 'Lies mein Buch', und seine Profi-Kollegen um Jonah Barrington und Achmed Safwat konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen. Karam ging noch am gleichen Tag in die Buchhandlung, kaufte sich das Buch von Hunt und las es in der Nacht.

    Nach Mitternacht im Hotel 'Am nächsten Tag habe ich Hunt gesagt, dass ich jetzt viele Fragen zu seinem Buch habe', und das Grinsen soll aus den Gesichtern der Profis gewichen sein. Hunt erklärte Karam an Ort und Stelle eine ganze Menge. Das meiste brachte er sich aber selbst bei. 'Ich habe oft in der Nacht, nach der Arbeit, von Mitternacht bis halb zwei Uhr allein im Court trainiert'. Zuvor kannte er nur Boxen, Rugby und Kricket. 'Davon habe ich im Squash profitiert', sagt Karam. 'Vom Boxen habe ich die Beinarbeit, vom Rugby das Durchsetzungsvermögen und vom Kricket das Ballgefühl'. Weil ihm sein italienischer Chef neugierig auf Europa gemacht hatte, machte sich Karam eines Tages auf den Weg dorthin. Erst arbeitete er in London als Squash-Trainer. 'Dort habe ich mehr verdient als im Hotel-Geschäft'. Das war das Ende seiner Hotel-Karriere. Nach der Squash-Saison reiste er über München in den Süden. Hängen blieb er auf der griechischen Insel Mykonos. Dann ging es nach ein paar Monaten zurück nach München, 'mit 50 Mark in der Tasche', so Karam. 'Die ersten zwei Wochen haben wir nur Brot und Käse gegessen'. Bis er ein Squash-Center in München fand, wo er wieder als Trainer arbeitete. München ist seitdem seine Heimat. Von 1983 bis 1987 spielte er Weltranglisten-Turniere. Seine beste Platzierung war Rang 26. 'Höher bin ich nicht gekommen, weil ich wegen der Apartheid-Politik in Südafrika nicht in allen Ländern starten durfte'. Schweden etwa, Ägypten oder Pakistan, waren tabu. In Wien traf er mal auf Jahangir Khan, die Squash-Legende aus Pakistan. 9:10, 8:10 und 9:10 verlor Karam. Es musste Eindruck hinterlassen haben, denn von 1998 bis 2001 wurde er als Trainer der österreichischen Nationalmannschaft engagiert. Danach war er bis 2003 Trainer der deutschen Nationalmannschaft der Frauen. Derzeit ist er bayerischer Nachwuchs-Trainer (neun bis 19 Jahre). Dort stieß er auch auf Ken Gibson vom 1. SC Kempten. Der Zwölfjährige ist bundesweit das größte Talent in seiner Altersklasse. Karam weiß, dass er mit seiner rauen Art polarisiert. 'Aber ich bin im Laufe der Jahre schon diplomatischer geworden. Früher war ich sehr streng. Damals hätte ich jemand gesagt, du musst Gewicht verlieren. Heute sage ich, ein paar Pfündchen weniger wären nicht schlecht'. Groß ändern wird sich der Südafrikaner wohl nicht. 'Squash ist eine Beziehung zwischen Trainer und Spieler', sagt er. 'Es sind auch schon Leute von mir weg gegangen, die meine Art nicht angenommen haben'. Die meisten sind aber immer wieder gekommen, wie die ehemaligen deutschen Spitzenspieler Stefan Oppolzer aus Neugablonz, Florian Pössl, oder Oliver Rucks.

    'Müssen lernen, zu kämpfen' Mittlerweile trainiert Karam keine Stars mehr, sondern den Nachwuchs, auch in der Provinz. 'Squash ist mein Beruf', sagt er. 'Dabei ist es egal, welches Niveau die Spieler haben. Außerdem: Je früher ich die Spieler in meine Finger bekomme, desto weniger muss ich später korrigieren'. Nationaltrainer der Männer will er nicht werden. 'Ich sehe mich nicht in der Rolle des Bürokraten', sagt er. 'Ich stehe lieber im Court und arbeite mit den Menschen'. Und eines ist ihm in Deutschland aufgefallen. 'Das ist ein bequemes Volk. Die Kinder müssen wieder lernen, zu kämpfen'.

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