Liedermacher wegen Beleidigung angeklagt Seine Fans sitzen im Zuhörerraum. Von Andrea Kümpfbeck Kempten'Die Bühne ist mein Gerichtssaal', sagt Hans Söllner. Und zu so einer Bühne hat der bayerische Liedermacher gestern auch den Gerichtssaal 160 des Kemptener Landgerichts umfunktioniert, wo er sich wegen des Vorwurfs der Beleidigung verantworten musste. Mit 'Schmähkritik der übelsten Art', wie der Richter es nennt, soll er bei Konzerten in Obergünzburg, in Nördlingen und Altdorf den bayerischen Innenminister Günther Beckstein, die Immenstädter Polizei und eine Münchner Richterin überzogen haben. Das Amtsgericht Sonthofen hatte Söllner dafür in erster Instanz zu einer Geldstrafe in Höhe von 140 000 Mark verurteilt. Sowohl der Liedermacher als auch der Staatsanwalt hatten Berufung eingelegt. Bei seinem Auftritt in Kempten als nächste Runde in dem Dauerkonflikt zwischen Söllner und der Bayerischen Justiz schmeißt der 44-Jährige er ist übrigens nicht vorbestraft wieder mit unflätigen Bemerkungen nur so um sich. Rechnet mit allem und jedem ab, mit der Politik, der Kirche und der Gesellschaft. Er sagt, was ihm daran nicht gefällt. Laut, derb und wenig diplomatisch.
Ganz wie ihm der oberbayerische Schnabel gewachsen ist. Und wie ihn seine rastabelockte Fangemeinde kennt, die, zum Teil in Söllner-T-Shirts, den Zuhörerraum des Gerichtssaals füllt: als den 'wuiden Hund von Reichenhall'. Ein Hans Söllner übernimmt sofort die Regie: Er redet den Richter in Grund und Boden, diskutiert mit ihm darüber, ob Bäume beim Umfallen im Wald krachen oder Innenminister Beckstein nur eine erfundene Figur ist und rät dem Staatsanwalt, doch hinauszugehen, wenn er sich die justiz-politischen Diskussionen nicht mehr anhören will, in die Söllner den Richter immer wieder verstrickt. Der dreifache Familienvater und bekennende Haschisch-Konsument im Trachtenjanker, der dunklen Brille und der handgestrickten Rastamütze rechtfertigt seine Texte mit dem Dialekt: 'Wir redn hoid so in Oberbayern. I bin hoid anders aufgwachs\'n. In am andern Dunstkreis.'Und er kann es nicht verstehen, 'warum wir hier über einzelne Wörter diskutieren, wo es doch um 140 000 Mark geht'. Denn seine Lieder könne man nur im Kontext verstehen, sagt er, mit Blick auf das Recht der 'freien Kunstausübung'. Er äußere darin nur Kritik an der Politik, die gemacht wird, nicht an Einzelpersonen. 'Weil es 'so richtig nett ist hier bei ihnen wie im Königlich-Bayerischen Amtsgericht', tritt Söllner am Freitag noch einmal auf der Gerichtssaal-Bühne auf, um sich sein Urteil anzuhören. Auch wenn er eigentlich gar keine Zeit dafür hat: 'Weil i meinen Kindern versprochen hab, mit ihnen Fischen zu gehn.'