Von Werner Hacker Füssen - Der Kalender zeigt Ende Oktober und am Lech blüht die zeitgenössische Kunst auf. In Nachbarschaft der sehenswerten Ausstellung 'Art Füssen' im Museum öffnen Bildhauer, Fotografen und weitere kreative Leute ihre Werkstätten. Sie siedelten sich in der Textil AG - den früheren Hanfwerken - an, wo in drei Schichten die ganz normale Produktion weiterläuft. Dass sich Betriebsleiterin Carola Medack und der vor Ideen sprühende Herbert Biller, der die Ausstellung eröffnete, nicht nur gut, sondern ausgezeichnet verstehen, erlebten Scharen von Besuchern bei der Vernissage, dem ersten Programmpunkt der laufenden bunten Woche. Herbert Biller und seine Künstlerfreunde müssen nicht lange warten, bis sich der alte Lechbau der traditionsreichen Hanfwerke in Füssen mit Kunstfreunden aller Jahrgänge füllt. Der Eingang rechts von der steinernen Treppe führte ein paar Stunden vorher zur Nachtschicht. Rechts davon findet bis zur späten Stunde ein harmonisch verlaufender, musikalisch begleiteter 'Tag der offenen Tür' statt, bei dem recht frisch und fröhlich alte Zöpfe abgeschnitten werden. Das ist keine Museumskunst, auch wenn Biller ausdrücklich zu einer Retrospektive eingeladen hat. Es gibt offenbar nichts, was der Musiker und bildende Künstler nicht kann. Ausdrucksstarke Zeichnungen sind neben mystischen Skulpturen zu sehen - und dem Auge wird auch so manche Überraschung geboten. Die beiden Boote erweisen sich aus der Nähe als Zupfinstrumente. Das ist ein typisches Beispiel für Billers intelligentes Spiel mit Formen, Farben und Klängen. Doch der Kopf der hier versammelten Künstlergruppe ist eben auch Musiker und weiß daher, dass es besonders reizvoll ist, wenn eine Gruppe auftritt und jeder dabei den Raum für sein Solo hat. Nicht nur Bildhauerin Beatrice Asmalsky profitierte davon. Schnell bildet sich ein staunender Kreis um ihre imposante Säulenskulptur, der gerade erst enthüllt worden ist. Nach einem ersten Rundgang mit Stationen vor den 'urwurzeligen' Schwemmholzmöbeln von Steffen Kalmus, den kleine Geschichten erzählenden Keramiken von Petra Gschwend und Till Helming sowie der ebenfalls zu längeren Phantasiereisen einladenden und im Kleinformat ganz besonders beeindruckenden Bilderwelt Petra Gimmis geht es hinauf in den nächsten Stock, wo sich Modedesign und Fotografie begegnen. Der über zwei Jahrzehnte in München lebende und nach Füssen zurückgekehrte Gerhard Bumann präsentiert hier seine technisch und gestalterisch überzeugenden psychedelischen Motive. 'Hier habe ich endlich ein Atelier gefunden, das ideal für meine Fotoarbeiten ist', sagte er unserer Zeitung. Seine Nachbarn sind Thomas Beckert und Andrea Stahl, die Kleidungsstücke in hoher Qualität präsentieren und dabei nicht vergessen, dass der Kunde nicht nur passende Beinkleider braucht, sondern auch Schuhwerk. Bei beiden Designern sind Stiefel im Trend.
'Wachsmäntel' wie von Beuys Biller wiederum lässt wirklich nichts links liegen und hat ausrangierte Arbeitsmäntel von Textil AG-Beschäftigten sorgfältig mit Wachs beschichtet und in weiteren Arbeitsschritten so lange bearbeitet, bis sie ihre neue Identität als Kunstwerke in der Tradition des genialen Josef Beuys annehmen. Die im Treppenhaus hängenden 'Wachsmäntel' zeigen einmal mehr, wie vielseitig Biller ist. Künstlerisches Schaffen auf unterschiedlichen Gebieten birgt immer die Gefahr, dass sich das schöpferische Tun vom eigentlichen Kern entfernt und sich allmählich in Beliebigkeit auflöst. Nicht so bei dem 64-jährigen gebürtigen Salzburger, wie auch Thomas Riedmiller vom Kulturamt bestätigt: 'Das sieht man schon, jedes der zahlreichen Exponate trägt seine Schrift!'Die Ausstellung, zu der alle Mitwirkenden einen sehenswerten Beitrag leisten, macht auf zwei Etagen deutlich, dass sich nicht nur Hausherrin Medack über die neuen Mieter freuen darf. Sie sind kreativ und produktiv und überglücklich, dass es in Füssen ein riesiges 'Spielzimmer' für sie gibt, das hoffentlich auch weiterhin Menschen aus nah und fern wie ein Magnet anzieht. In den Hanfwerken wird der Beweis erbracht, dass die zeitgenössische Kunst ihr Publikum in der Region hat. Um diesen großen Zuspruch zu bekommen, war es noch nicht einmal erforderlich, die Werbetrommel besonders laut zu rühren. i Am heutigen Dienstag führt Herbert Biller alle, die ein Ohr dafür haben, in die Oberton-Gesangstechnik ein (20 Uhr). Morgen, Mittwoch, können Kinder ab 14 Uhr ein Didgeridoo bauen. Am Donnerstag, 26. Oktober, gibt es dann auf dem Gelände der Hanfwerke die erste Jam Session (20 Uhr). Nächster Höhepunkt ist die Benefizveranstaltung für die Kinder von 'Little Smile' in Sri Lanka um 20 Uhr am kommenden Samstag, an der rund 30 Akteure teilnehmen werden.