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Häusliche Gewalt: Opfer verweigert die Aussage

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Häusliche Gewalt: Opfer verweigert die Aussage

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    Von Michael Mang

    Sonthofen Die Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt ist hoch. Häufig werden die Verbrechen nicht angezeigt oder bestraft, weil die Opfer bei der Polizei oder vor Gericht nicht gegen die Täter aus der eigenen Familie aussagen wollen oder bedroht werden. So war es auch jetzt bei einem Fall am Amtsgericht Sonthofen: Auf der Anklagebank saß ein vorbestrafter 20-Jähriger. Er war angeklagt, im Juni seine Freundin nach einem Streit misshandelt zu haben. Wie die Staatsanwältin ausführte, verletzte er sie und drückte ihr den Kiefer mit der Hand zusammen - die gemeinsame einjährige Tochter musste dabei zusehen. Danach sperrte er die 18-Jährige und die kleine Tochter für eine Stunde in der Wohnung ein. Die Anklage lautete auf Körperverletzung und Freiheitsberaubung in zwei Fällen.

    Trotz der schwerwiegenden Vorwürfe wirkte der junge Angeklagte, der ohne Anwalt erschienen war, selbstbewusst. Als er Jugendrichter Alfred Reichert von seiner kürzlich erfolgten Verlobung berichtete und dann ankündigte, zu den Vorwürfen zu schweigen, entgegnete der Richter: 'Dann kann ich mir schon denken, was jetzt kommt.' Und Reichert sollte Recht behalten: Als das Opfer der Gewalttat in den Zeugenstand gerufen wurde, verweigerte die 18-Jährige die Aussage. Sie hatte den 20-Jährigen gegenüber der Polizei noch belastet. Als Verlobte hat sie ebenso wie beispielsweise Ehepartner ein Zeugnisverweigerungsrecht. Damit stand das Ergebnis der Verhandlung fest: Weil der mutmaßliche Täter ebenso wie sein Opfer schwieg und sonst nur noch die kleine Tochter Zeuge der Tat war, stand der Freispruch für den 20-Jährigen fest - aus Mangel an Beweisen.

    'Der Angeklagte kann durch die Beweisaufnahme nicht überführt werden', brachte es die Staatsanwältin auf den Punkt. 'Die Tat ist nicht zu beweisen und der Angeklagte freizusprechen.'

    So urteilte auch Jugendrichter Alfred Reichert - auch wenn er erhebliche Zweifel an der Unschuld des Angeklagten hegte: 'Das Kind hat alles mit anschauen müssen. Ich hoffe, dass das Jugendamt Sie im Auge behält', sagte Reichert. Bereits aus seiner Zeit als Staatsanwalt wisse er, wie schwer die Beweisführung bei Fällen von häuslicher Gewalt sei. 'Man fragt sich schon, wie hoch die Schmerzgrenze einer Frau ist. Vor allem dann, wenn die eigenen Kinder betroffen sind.' Der Richter warnte den 20-Jährigen am Ende der Verhandlung: 'Passen Sie auf, was in Zukunft passiert.' Der Angeklagte zeigte keine Regung, stand auf und ging - als freier Mann.

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