Von Helmut Kustermann Memmingen/Köln - Bei der RTL-Show 'Wer wird Millionär?' vor dem Fernseher zu sitzen und den Kopf zu schütteln, wenn ein Kandidat bei einer vermeintlich leichten Frage rausfliegt, ist ganz schön daneben. Das sage ich mit der Erfahrung, die ich als so genannter Telefon-Joker gemacht habe. Man wird angerufen, wenn der Kandidat auf dem Stuhl neben Günther Jauch nicht mehr so recht weiter weiß und hofft, dass Hilfe vom anderen Ende der Leitung kommt. Der Telefon-Joker ist also jemand, der einen dicken Vertrauensvorschuss bekommt. Alles beginnt mit dem Anruf meines alten Kumpels Dirk Lötz. Er sei Kandidat bei 'Wer wird Millionär?', erzählt er. Aber der für mich entscheidende Nachsatz kommt erst. Er hätte da eine Frage an mich, den Journalisten. Zum einen fühlt man sich geschmeichelt, auserwählt worden zu sein. Zum anderen ist man aus alter Verbundenheit weit davon entfernt, einem Schulfreund eine solche Bitte abzuschlagen. Also bekommt die Firma, die 'Wer wird Millionär?' produziert, meinen Namen und meine Telefonnummer in einem kleinen Ort bei Memmingen. Als Telefon-Joker gilt es ganz präzise Regeln zu beachten. Am Tag der Aufzeichnung kann ich gut zwei Stunden nicht von zuhause weggehen. Sollten meine Dienste tatsächlich gefragt sein, darf ich erst nach dem dritten Läuten ans Telefon. Das soll wohl die Spannung steigern. Zuerst den Vor- und dann den Nachnamen sagen, lautet eine weitere Regel. Ich sitze an dem betreffenden Abend in der Küche - da klingelt es tatsächlich.
Das muss Günther Jauch sein, schießt es mir durch den Kopf. Vorschriftsgemäß melde ich mich mit 'Helmut Kustermann'. 'Günther Jauch von RTL'. Jauch erzählt etwas, dass es für Dirk Lötz um 32000 Euro gehe und sich die Frage um einen Film mit Herbert Grönemeyer drehe. Film mit Grönemeyer? Ich kann nicht behaupten, dass mein Adrenalinspiegel sinkt. Dirk liest vier Namen vor - eine dieser Persönlichkeiten hat Grönemeyer 1983 dargestellt. Ich weiß es schlichtweg nicht, kann nichts als raten. Ich sage 'Georg Büchner' ins Telefon, dann bin ich auch schon wieder abgeschaltet. Meine im Internet sofort gestartete Recherche ergibt: Der Komponist Robert Schumann wäre die richtige Lösung gewesen. Scheibenkleister. Dirk hat übrigens auf Sigmund Freud, den Begründer der Psychoanalyse, getippt. Dabei war sein erster Gedanke, dass es sich um Schumann handelt Macht nichts, schließlich geht er mit 16000 Euro in der Tasche nach Hause. Trotz des Flops bei 'Wer wird Millionär?' scheint das Vertrauen in mein Allgemeinwissen noch nicht ganz geschwunden zu sein. Das mit Grönemeyer habe man ja nicht wissen können, tröstet mich ein anderer Freund. Falls er als Kandidat ausgewählt werde, solle ich sein Telefon-Joker sein.