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Gewalt gegen Alte an der Tagesordnung

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Gewalt gegen Alte an der Tagesordnung

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    Ursache ist oft Zeitmangel - Neuer Arbeitskreis will Tabu-Thema öffentlich machen Isny/Kempten (bb). Der Sohn schlägt seine kranke Mutter, die Ehefrau demütigt ihren verwirrten Ehemann, der Arzt verschreibt dem vermeintlichen Simulanten keine Schmerzmittel, die Pflegekraft geht mit dem alten Mann nicht auf die Toilette: Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen hat viele Formen. 'Es gibt darüber keine Fallzahlen, aber eine hohe Dunkelziffer', sagt Doris Graenert, Pflegedienstleiterin des Altenhilfezentrums-Sozialstation Isny-Argenbühl.

    'Gewalt gegen alte Menschen ­ ein Tabu?' hieß der Vortrag von Doris Graenert, den sie jetzt in den Waldburg-Zeil-Kliniken in Isny-Neutrauchburg hielt. Aggressionen gegen Gebrechliche sind an der Tagesordnung ­ meist unbedacht und im Verborgenen.

    Was sind die Ursachen der Gewalt gegen Pflegebedürftige? Laut Graenert vor allem die lückenhafte finanzielle Vergütung von Pflegeleistungen. Während für Waschen, Haare schneiden oder Betten machen auf die Minute festgelegte Honorar-Sätze bestehen, gibt es für die Kategorie 'Zuwendung' keinen müden Euro. Das Pflegepersonal ­ ob in einem Heim oder ambulant ­ habe gar nicht die Zeit, mal den kranken Menschen einfach zuzuhören. Die seelische Pflege sei aber genau so wichtig wie die körperliche. Wenn aber im Verhältnis Pflegekraft ­ Pflegebedürftiger wegen des Zeitdrucks kein Platz ist für einen menschlichen Zug , seien Aggressionen vorprogrammiert ­ und zwar auf beiden Seiten.

    Die Referentin räumte nämlich ein, dass 'auch der alte Mensch als potenzieller Aggressor nicht außer Acht gelassen werden darf.' Viele Pflegebedürftige würden ihre Pfleger regelrecht peinigen mit Schreien, Spucken, Beißen oder üblen Beschimpfungen. Und: Viele Kranke, die zu Hause von den Angehörigen betreut werden, können Tag und Nacht nicht mehr unterscheiden und fordern ihre Verwandten rund um die Uhr, was zu großen Spannungen und zur totalen Erschöpfung der Pflegenden führen könne. 'Viele pflegen sich zu Tode', brachte Graenert diese Seite des Pflege-Alltags auf den Punkt.

    Den ambulanten und stationären Pflegediensten fehle eine Lobby bei den Politikern, hieß es bei dem Treffen in Isny. Dennoch müsse ein Weg gefunden werden, dass auch 'Zuwendung' in die Honorar-Kriterien aufgenommen werde.

    Eine Möglichkeit, auf das Thema aufmerksam zu machen, ist die verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. Deshalb hat sich in Isny jetzt auch ein Arbeitskreis 'Geriatrie und Gerontopsychosomatik' für die Region Bodensee/Oberschwaben gegründet. Mit dabei Vertreter aus dem bayerischen Allgäu, wie zum Beispiel der Medizinische Dienst Kempten, die Häusliche Kranken- und Altenpflege Kempten oder die Altenpflegeschule Immenstadt.

    i Weitere Informationen zum neuen Arbeitskreis bei: Johannes Eissing, Waldburg-Zeil-Kliniken, Öffentlichkeitsarbeit, Riedstraße 16 in 88316 Isny-Neutrauchburg. Telefon: (07562) 71-1041, Fax: (07562) 71-1080. E-Mail:

    jeissing@wz-kliniken. de

    oder im Internet unter

    www. wz-kliniken. de

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