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Gesunde Vielfalt am Wegesrand

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Gesunde Vielfalt am Wegesrand

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    Germaringen | avu | Über Wildkräuter könnte Bertlies Zech stundenlang reden. Über die Wirkung der Pflanzen auf Körper und Geist, die Möglichkeiten, mit ihnen zu kochen. Wortkarg wird die Kräuterfrau allerdings, wenn sie nach den Orten gefragt wird, wo Eisenkraut und Schafgarbe am besten gedeihen. 'Ich habe schon erlebt, dass diese Plätze leergepflückt wurden, nachdem ich dort Führungen veranstaltet hatte', sagt sie.

    Ihr Wissen über Kräuter gibt sie dagegen gerne weiter, denn der menschliche Erfahrungsschatz sei immens, aber leider in Vergessenheit geraten. 'Die außerordentliche Vielfalt an Wildkräutern ist seit Jahrtausenden eng mit der Kulturgeschichte des Menschen verbunden', erzählt sie. Sie waren schon immer mehr als Nahrungsmittel. 'Eure Nahrungsmittel sollen Heilmittel sein, und eure Heilmittel Nahrungsmittel' - ein Satz, geprägt vom berühmtesten Arzt des Altertums, Hippokrates.

    Bertlies Zech hat die Heilkräuter zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht.

    Nach einer Ausbildung in Phytotherapie (abendländische Pflanzenheilkunde) eröffnete sie in einer mehr als 300 Jahre alten, ehemaligen Hofkäserei in Obergermaringen einen kleinen Kräuterladen mit Seminarraum, ihr 'Kräuterhäuschen'. 'Ich möchte den Menschen zeigen, was die Natur uns zu bieten hat', sagt die 47-Jährige. Heuer leitet sie in dieser Region erstmals die Ausbildung zum Wildkräuterführer, die vom Verein Allgäuer Kräuterland bislang nur im Oberallgäu angeboten wurde. Die Ausbildung der Teilnehmer - meist Frauen - reicht von der Wildkräuterbestimmung über das Allgäuer Brauchtum bis zur Herstellung von Kräuterprodukten und endet mit theoretischen und praktischen Prüfungen. Die Seminare und Exkursionen heißen beispielsweise Baumheilkunde und 'Wilde Weiber Küche'.

    Wildkräuter seien so unglaublich reich an Inhaltsstoffen, dass viele davon als Heilpflanzen angebaut und heute noch genutzt werden, erklärt die Expertin. Salben, Tinkturen und Tees lassen sich mit ihnen herstellen. Ihre eigene Lieblingspflanze ist die Brennnessel, die sich so gut und unkompliziert als Gemüse oder in Bratlingen mit Getreide verarbeiten lasse. Das Weideröschen, eine regionale Pflanze, wirke auf die Gesundheit als Tee oder Tinktur. Und sogar eine Rauchmischung - natürlich ohne Tabak - findet sich in ihrem kleinen Laden. Das Kraut wird ihren Angaben zufolge in der Lungenheilkunde eingesetzt und als Zigarette oder in der Pfeife konsumiert.

    Früher sei das Wissen um die Anwendung von Generation zu Generation als Erfahrungsheilkunde weitergegeben und erweitert worden, so die Germaringerin. Heute stünden Analysemethoden der modernen Wissenschaft zur Untersuchung der Inhaltsstoffe zur Verfügung. 'Dadurch wird die Wirksamkeit von pflanzlichen Stoffen, die seit der Antike angewendet werden, wissenschaftlich untermauert', sagt Bertlies Zech, die ebenso die Geschmacksvielfalt und die 'unglaublichen Aromen' der heimischen Wildkräuter anpreist. Die Pflanzen enthielten im Durchschnitt doppelt bis viermal so viele Mineralstoffe wie Kulturgemüse.

    Neben den Vitaminen und Mineralstoffen seien in jüngster Zeit vor allem die sogenannten 'sekundären Pflanzenstoffe' in den Blickpunkt der Wissenschaft geraten. Sie hemmten die Krebsentwicklung, neutralisierten 'freie Radikale' und stimulierten das Immunsystem, behauptet die Expertin.

    Ein weites Feld, das sich mit einer einzigen Kräuterwiese auftut. Zweiflern gibt Bertlies Zech deshalb nur einen Rat: 'Man muss unbefangen an das Thema rangehen.'

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