Von Thilo Jörgl, Friesenried/Marktoberdorf - Fragt man den Friesenrieder Gottlieb Rehle, ob er etwas über die geheimen Zeichen der so genannten Feldgeschworenen oder Siebener (siehe Wortweiser) erzählen kann, antwortet der 79-Jährige erst einmal: 'I sag nix, sonst wär\'s ja kein Geheimnis mehr'. Bleibt man allerdings etwas hartnäckig und hakt nach, was er als Feldgeschworener in den vergangenen 40 Jahren beim Setzen von Grenzsteinen erlebt hat, bleibt das Geheimnis nicht mehr ganz geheim. Manchmal, so erzählt er, sei er unter alten Granit-Grenzsteinen auf so genannte 'Zeugen' gestoßen. Das sind Ton-, Glas- oder Steinsplitter, die in einer bestimmten Weise unter dem 50 Zentimeter tiefen Stein beim vermessen gelegt worden sind. Und warum? 'Weil der Feldgeschworene beim Kontrollieren sieht, ob der Splitter später noch genauso unter dem Stein liegt', erzählt Rehle, der 1952 vom damaligen Friesenrieder Bürgermeister zum Feldgeschworenen vereidigt worden war. Falls der Splitter verschwunden oder verschoben ist, liegt der Verdacht nahe, dass sich jemand an der Grenze zu schaffen gemacht haben könnte. Doch obwohl Rehle in 40 Dienstjahren für zuletzt 18 Mark in der Stunde hunderte von Grenzsteinen in und um Friesenried vergraben hat, war für ihn das Siebenergeheimnis von keiner Bedeutung mehr. 'Die Vermessungsbeamten haben längst genaue Karten. Wenn ein Stein fehlt, kann man nach der Karte einen neuen setzen', so Rehle. 'Heute können wir zentimetergenau mit dem Computer die Grenze rekonstruieren', erzählt auch Peter Schwägele, Vermessungsbeamter in Marktoberdorf. Die Geheimnisse der 'Siebener' - früher gab es in jeder Gemeinde sieben Feldgeschworene - sind im Zeitalter von satellitengestützter Vermessung (GPS) von keiner Bedeutung mehr.
Ältestes bayerisches Ehrenamt Längst gibt es nicht mehr in jeder Gemeinde genau sieben Feldgeschworene und auch die 'Aufnahmekriterien' haben sich geändert. Während das älteste bayerische Ehrenamt früher vererbt wurde, hohes Ansehen hatte und Nachfolger für verstorbene 'Siebener' von den verbliebenen sechs gewählt werden mussten, gehen die Gemeinden heutzutage pragmatischer mit der Bestellung der Feldgeschworenen um: 'Gemeindearbeiter setzen heute die Grenzsteine', weiß Schwägele. In Friesenried etwa hat Landwirt Alois Hofmann diese Aufgabe inne. 'In Franken waren die Siebenergeheimnisse immer von größerer Bedeutung als in Schwaben', erzählt Schwägele. Der Grund dafür seien die zahlreichen Vermessungen der Höfe gewesen, weil dort - im Gegensatz zu Schwaben - das Grundstück im Rahmen der 'Realteilung' an alle Kinder gleich vererbt wurde. 'Früher', so Schwägele 'haben die Feldgeschworenen auch bei Grundstücksstreitereien entschieden, weil sie den Ort und die Geschichte genau kannten.' Heute, so erzählt Alois Hofmann, habe er mit Streitfragen über den Grenzverlauf 'gar nichts' zu tun. Wenn er in dieser Woche mit dem Vermessungsbeamten Max Enzensberger 63 Krautgärten im Friesenrieder Süden vermessen muss, 'denkt keiner mehr an das Siebenergeheimnis'. Und es werden auch keine schweren Granitsteine mehr gesetzt, sondern leichtere Kunststoffsteine, die samt einem Stahlstab in den Boden geklopft werden. Die Zeiten haben sich eben geändert.