Den längsten und lautesten Applaus hat bei der gestrigen Eröffnung der Bregenzer Festspiele Zofia Posmysz erhalten. Die 87-Jährige ist sozusagen Ehrengast dieses Festivals. Auf ihrer Novelle "Die Passagierin" beruht die diesjährige Oper im Festspielhaus. Die Auschwitz-Überlebende Poszmysz hat darin ihre KZ-Vergangenheit verarbeitet. Das Festspielmotto "In der Fremde" bezieht sich auf die Hausoper ebenso wie auf das Spiel auf dem See, das heuer mit Verdis Aida im zweiten Jahr von der schönen äthiopischen Sklavin im feindlichen Land der Ägypter erzählt. Der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer sprach dementsprechend in seiner Eröffnungsrede über die Themen Exil und Fremdsein. Er appellierte an die rund 1600 Gäste im Festspielhaus: "Haben Sie ein Herz für Fremde und haben Sie ein Herz für eine Kunst, die Fremdenangst überwindet."
Die österreichische Kulturministerin Dr. Claudia Schmied spitzte das Thema auf die aktuelle Politik zu. "Vertriebene und Geflüchtete leben auch heute hier bei uns in Österreich", sagte sie. "Es ist unsere Aufgabe, uns dringend und nachhaltig mit der Frage auseinanderzusetzen, wie wir mit diesen Menschen umgehen, wie wir sie empfangen und wie wir ihnen helfen." An die Verantwortlichen des Festivals am Bodensee richtete sie die lobenden Worte: "Die Bregenzer Festspiele setzen auch in diesem Jahr ein Zeichen für Verbundenheit, für Internationalität, für Offenheit gegenüber den Menschen aus aller Welt."
Dass sich die Festspiele ihres künstlerischen und gesellschaftspolitischen Auftrags bewusst sind, machte Festspielpräsident Günter Rhomberg deutlich. Das seit 30 Jahren bestehende Festspielhaus bezeichnete er als ein "Symbol österreichischer Kultur am äußerten westlichen Ende unseres Landes". Zugleich sei es eine "Brücke Österreichs hinein in das stets größer und hoffentlich vollkommener werdende, gemeinsame Europa". Rhomberg betonte, dass Bregenz in diesem Jahr noch klarere künstlerische Akzente setze, indem es einen Großteil des Programms auf den bislang unbekannten Komponisten Mieczyslaw Weinberg (1919-1996) ausrichte.
"Eine solch mutige Konzeption erfordert eine hohe Konzentration bei unserem künstlerischen Team - aber auch ein empfangsbereites interessiertes Publikum", so Rhomberg.
Dass das Dasein "in der Fremde" auch andere Aspekte haben kann, ging aus den Videobotschaften bedeutender Persönlichkeiten hervor. Der Schriftsteller Wladimir Kaminer etwa sagte: "Ich halte Fremdsein für einen normalen Zustand für einen Menschen. Um verantwortlich zu handeln, muss man dieses Fremdsein mögen." Ilija Trojanow, aus Bulgarien stammender Schrifsteller und Übersetzer, konstatierte: "Exil setzt ungemeine kreative Kräfte frei."
Die Arbeit des polnisch-russischen Komponisten jüdischer Herkunft Mieczyslaw Weinberg kann als Beweis für diese These dienen. Seine reiche, farbige Klangwelt machten die Wiener Symphoniker und das Ensemble Dolby Around den Eröffnungsgästen mit ersten Festspielkostproben bekannt.