Nach jahrelangem Kampf jetzt der Abbruch Kempten (li). Martha Wolf hatte Tränen in den Augen. Vor ihrem Fenster war ein Bagger vorgefahren, große Muldenkipper standen bereit, dann begann das stählerne Ungetüm sein Werk. Von ihrem Balkon aus verfolgte die Renterin, wie sich die Schaufel mit lautem Knirschen in den Dachstuhl bohrte und das Schicksal des historischen Haldehofes besiegelte. Jahrhundertelang war das Haus Mittelpunkt eines ehemals fürstäbtlichen Gutes, jetzt werden dort fünf Einfamilienhäuser gebaut.
Mit dem Abbruch geht auch ein jahrelanger Kampf von Bevölkerung und Heimatpflegern mit der Diözese Augsburg zu Ende. Die Kemptener Denkmalspfleger hatten einst in Landtagsabgeordnetem Paul Diethei einen starken Mitstreiter. In Briefen betonte er immer wieder den unverwechselbaren Mittelpunkt des Stadtteils Halde. Doch alle Rettungsversuche schlugen fehl: Im Februar 1992 winkten die obersten bayerischen Denkmalschützer ab. Die Bischöfliche Finanzkammer als Eigentümer hielt an den Abbruchplänen fest, nur aus dem geplanten Studentenwohnheim wurde nichts. Im September 2006 stellte dann eine Firma aus Kaufbeuren eine Bauvoranfrage. Auf dem Grundstück mit 3150 Quadratmetern sollen fünf Einfamilienhäuser entstehen, zweigeschossige mit ausgebautem Pyramidendach und quadratischem Grundriss. Die Stadträte nickten den Vorschlag ab, nachdem auch das Landesamt für Denkmalpflege grünes Licht für den Abbruch gab. Nicht erhaltenswert, weil zu viele Umbauten im Inneren, lautete das Urteil von Dr. Hildegard Sahler.
Historische Daten
Die Geschichte des Haldehofs: Das einstige Herrschaftshaus des Gutes Halde war das einzig erhaltene Zeugnis einer einst stattlichen Anlage. Bereits 1394 wird das Anwesen im stiftischen Salbuch erstmals erwähnt. Mit den Gütern Reichelsberg und Kürnach gehörte die Halde zu den Mustergütern. Fürstabt Anselm von Reichlin-Meldegg richtete während seiner Regentschaft 1728 bis 1747 einen Stutenhof ein, um die Pferdezucht rationeller zu gestalten. Das Gut umfasste 178 Tagwerk Feld und kam mit der Säkularisation 1802/03 unter den Hammer. Der bayerische Kurfürst verkaufte die Anlage 1805 an Postmeister Kolb. Auf einem Teil wurde Lehm gestochen und in der stiftischen Ziegelhütte verarbeitet. Nahe der südöstlichen Grundstücksgrenze stand bis 1814 der Galgen des Stifts Kempten.
1934 wurde die Halde der Stadt eingemeindet. Wenig später entstand die Haldesiedlung, ab den späten 50er Jahren nahm die Bautätigkeit zu. 1968 wurde der landwirtschaftliche Betrieb aufgegeben, 1970 brach man Stallungen und Scheune für die Straßenverbreiterung ab. Schon 1939, als Fridolin Weixler das Gut gepachtet hatte, gehörten die Grundstücke der katholischen Waisenhausstiftung. Das Gutshaus wurde 1956 an die Christliche Jugendhilfe verkauft. Die Schwestern der Liebe Christi unterhielten hier von 1962 bis zum Bau der Fachakademie für Sozialpädagogik 1972/74 ein Kindergärtnerinnenseminar und Internat. 1990 zogen die Schwestern in den Bischof-Freundorfer-Weg. Seitdem waren im Haldehof Kindergartengruppen beheimatet.