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Früher gab’s oft Prügel und keinen Lohn

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Früher gab’s oft Prügel und keinen Lohn

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    Oberallgäu (hlz). - Für viele jungen Menschen in der Region begann mit dem September der Arbeitsalltag. Ob sie es gut getroffen haben, wird sich zeigen. Anlässlich des neuen Ausbildungsjahres wollen wir einmal in frühere Zeiten zurückblicken, als 'Lehrjahre keine Herrenjahre' waren, wie man sagte. Lehrlinge waren einst sogar ziemlich rechtlos und ganz früher waren sie sogar Prügelknaben. Auch wenn den Lehrlingen und Auszubildenden unserer Zeit nichts geschenkt wird - mit ihren Vorgängern können sie keinesfalls verglichen werden. Grundlage der Lehrlingsausbildung waren in früheren Jahrhunderten die 'Handwerksordnungen', die von den Zünften erlassen worden waren. Es herrschten strenge Regeln und die Lehrbuben waren den Lehrherren ziemlich ausgeliefert. Demnach mussten Lehrlinge 'männlichen Geschlechts und ehelicher Herkunft' sein. Andere wurden nicht angenommen. Wenn sie nach einer Probezeit akzeptiert worden waren, begann meist eine harte Zeit. Der Meister übernahm die Vaterrechte, also auch das Recht zur körperlichen Züchtigung. Zu häufigen Schlägen und Strafen kam dann nicht selten eine spärliche Verpflegung hinzu. Dabei musste der Lehrling zur harten Arbeit auch noch ein 'Lehrgeld' zahlen. Er verdiente also im Gegensatz zu heute nichts. Wenn der Lehrbub seine dreijährige Lehrzeit glücklich überstanden hatte, so kam die ersehnte 'Ledigzahlung', auch Lossprechung genannt. Auf diese gehen auch die heute noch üblichen 'Freisprechungsfeiern' im Handwerksbereich zurück. Die Aushändigung des Lehrbriefes durch die Zunft war ein besonderer Akt.

    Sie geschah bei 'offener Zunftlade' und endete mit einem 'ehrlichen Trunk', wie es hieß. Die Zunftlade war eine Truhe, in der die Zunftordnung und sonstige wichtige Handwerksartikel aufbewahrt wurden. Dieser Übergang vom Lehrling zum Gesellen war ein wichtiger Schritt, der auch gehörig zelebriert wurde. Nach der abgeschlossenen Lehre schnürte einst der junge Geselle sein Bündel und zog als Handwerksbursch hinaus in die 'Welt'. Er ging auf die 'Walz', wie man sagte. Auch dabei gab es bestimmte Rituale. Jede Zunft hatte im Ort einen 'Herbergsvater'. Kam also ein Handwerksbursche müde in eine Stadt oder in einen Marktflecken, so entbot ihm der Herbergsvater einen Willkommenstrunk. War keine Arbeit für ihn da, erhielt er ein Geschenk zum Weiterreisen. Fand er aber eine Arbeit, so sollte er seinen Namen 'verschenken' und sich einschreiben lassen, wie es die Zunftordnung vorsah. Dafür musste er drei Kreuzer bezahlen. Ohne wirklichen Grund den Arbeitsplatz zu verlassen, wurde mit einem Geldabzug bestraft. 'Zur Erhaltung der Einigkeit' durfte auch kein Meister einen Gesellen im Ort abwerben, es sei denn, es wurde gegenseitiges Einvernehmen hergestellt. Erst wenn der Geselle genügend 'Sitzjahre' hinter sich hatte, konnte er Meister werden. Auch hier waren sehr hohe Hürden errichtet und das zu fertigende Meisterstück stellte höchste Anforderungen an die handwerkliche Fertigkeit des Gesellen. Diese strenge Zeit der Handwerksordnungen ist aber längst vorbei. Heute hat der Lehrling oder Auszubildende nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte. Er ist nicht mehr wehrlos den Launen des Meisters oder des Ausbildungsbetriebes ausgesetzt, hat sich aber sehr wohl anzustrengen, den gegenüber früher viel breiteren und auch theoretischen Anforderungen zu genügen. Geblieben sind in unserer Alltagssprache aus dieser früheren Zeit noch Sprüche wie 'Lehrjahre sind keine Herrenjahre' oder 'Lass dir doch dein Lehrgeld herauszahlen', 'Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen' oder 'Früh übt sich, was ein Meister werden will'.

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