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Flieger und Apparat zerschmettert

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Flieger und Apparat zerschmettert

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    Marktoberdorf(wu). 'Plötzlich jedoch schwieg das Knattern des Propellers Mit rasender Geschwindigkeit sauste das Flugzeug, nach vorn übergebeugt, aus einer Höhe von zirka 50 bis 60 Metern zur Erde nieder in den Garten des Distriktskrankenhauses Flieger und Apparat wurden zerschmettert', schreibt der Markt Oberdorfer Landbote unter der Rubrik 'Lokales' am 4. Juni 1917. Der 26-jährige Pilot, der am 31. Mai 1917 in Marktoberdorf abstürzte und eine Stunde später seinen schweren Verletzungen erlag, war ein Einheimischer: Oskar Behr, Leutnant der Reserve und Volksschullehrer. Bislang gab es in Marktoberdorf keine Fotografien dieses tragischen Ereignisses, das eine 'große, gewaltige Trauerkundgebung' (Landbote) im Ort zur Folge hatte. Durch einen Zufall ist Emilie Eigler aus Marktoberdorf jetzt an Aufnahmen vom Absturz gekommen. Der Oberdorfer Wolfgang Steglich erneuerte unlängst die Beleuchtung in einer Kirche in Kaufering. Dort kam er mit Josef Schneider ins Gespräch, der ihm erzählte, er habe Fotos von einem Flugzeugabsturz in Marktoberdorf. Nach einigen Telefonaten wusste Emilie Eigler von den Aufnahmen, die ihr Schneider wenig später zuschickte.

    Ohne Erlaubnis Allerdings ist Schneider nicht in Besitz der Originalaufnahmen. Seine Bilder sind aus einem Album abfotografiert. Dieses Album mit rund 200 Fotografien hat laut Schneider ein ehemaliger Kommandant zusammengestellt. Es zeigt Aufnahmen vom Fliegerhorst Lagerlechfeld während des Ersten Weltkriegs. Schneider, der lange Jahre im Fliegerhorst das Archiv betreut hatte, erzählt, dass Unglückspilot Behr in Lagerlechfeld stationiert war. Davon berichtet auch der Landbote. Laut Zeitungsbericht vom 4. Juni 1917 war der am 10. April 1892 in Kempten geborene Oskar Behr die Pfingsttage in Marktoberdorf auf Urlaub. Am Dienstag, 29. Mai, kehrte er nach Lagerlechfeld zurück, wo der Fliegerschüler am Donnerstag seine Höhenflugprüfung ablegen wollte. Wie der Landbote berichtet, bestand Behr seine Prüfung und flog vor lauter Freude nach Marktoberdorf - ohne Erlaubnis, wie Schneider meint. Kurz nach neun Uhr kreiste er 'in elegantem Fluge hoch über unserem Markte, grüßend aus luftiger Höhe, um sich, nachdem er schriftliche Grüße an seine Eltern abgeworfen hatte, nach seinem Standort Lagerlechfeld zurück zu begeben', steht im Landboten zu lesen. Danach setzte der Motor aus. Die vielen Schaulustigen, die das seltene Knattergeräusch eines Flugzeuges auf die Straßen und Wiesen gelockt hatte, glaubten zunächst, der Pilot wolle landen. Doch die Maschine stürzte ab und bohrte sich keine zehn Meter vom damaligen Krankenhaus (heute Nordseite des Landratsamtes) in den Boden. Behr, dessen Vater als Rechtsanwalt in Marktoberdorf tätig war, wurde zwar sofort versorgt, erlag aber eine Stunde später seinen schweren Verletzungen. Die 'allgemeine Anteilnahme' am Tod des Trägers des Eisernen Kreuzes 1. und 2. Klasse sei groß gewesen, schreibt der Landbote bereits am 31. Mai. Vier Fotoaufnahmen zeigen das völlig zerstörte Schulungsflugzeug 'LVG B. I.'. Ein Merkmal dieses Doppeldeckers seien das rundliche Leitwerk und die Ruder sowie der breitere Oberflügel, sagt Schneider. Merkmale, die laut Schneider auch die Unglücksmaschine aufweist. 'Teilweise wurde aber improvisiert und aus kaputten Flugzeugen neue gemacht', weiß er. Dadurch stieg die Gefahr von Abstürzen. Allein in Lagerlechfeld habe es 1917 26 Abstürze gegeben. Zehn - darunter der von Oskar Behr - endeten tödlich. Dass Oskar Behr am 31. Mai 1917 nicht zum ersten Mal mit einem Flugzeug in Marktoberdorf war, belegen andere Bilder, die Eigler schon länger besitzt. Sie zeigen den jungen Piloten inmitten zahlreicher Oberdorfer Bürger. Gelandet ist Behr damals auf 'Kußlers Feld', dort wo heute die Metallfabrik Rösle steht, sagt Emilie Eigler. Der 91-jährige Franz Schweiger erinnert sich noch daran, wie ihn sein Vater am Arm gepackt und mitgenommen hat, um den Piloten und seine Maschine zu bestaunen. Wie Eigler von Erzählungen ihrer Eltern weiß, habe es seinerzeit einen 'großen Auflauf' gegeben. Dem Hund eines Marktoberdorfer Geschäftsmannes, der nach dem laufenden Propeller schnappen wollte, wurde dabei der Kopf abgetrennt, erzählt sie.

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