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Faustrecht bei Weihnachtsfeier

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Faustrecht bei Weihnachtsfeier

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    Streit bei Clubfeier zwischen Wangener und Westallgäuer Familie Lindau/Westallgäu (enz). 'Jetzt machen wir hier mal etwas völlig Ungewöhnliches, schieben den Strafprozess beiseite und einigen uns auf einen zivilrechtlichen Vergleich.' Mit diesem Einfall überraschte Richter Paul Kind die Beteiligten eines Strafverfahrens wegen Körperverletzung und Beleidigung. Nach lebhafter Diskussion stimmten die gegnerischen Parteien zu, allerdings mit der Einschränkung, sich innerhalb der Frist von zwei Wochen einen Widerruf vorzubehalten.

    Der Vergleich sieht vor, dass die bei einer clubinternen Weihnachtsfeier aneinander geratenen Personen wechselseitig auf alle Ansprüche verzichten und ein jeder für sich selbst die Verfahrenskosten übernimmt. Sollten die streitbaren Parteien in der genannten Frist ihr vorläufiges Einverständnis nicht widerrufen, stellt das Gericht im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft das strafrechtliche Verfahren ein. Hintergrund des Rechtsstreites ist ein seit längerem schwelender Streit zwischen zwei demselben Club angehörigen Familien aus dem Westallgäu und aus Wangen. Angeklagt war der Sohn der Westallgäuer Familie, der laut Anklage bei der letztjährigen Weihnachtsfeier während einer verbalen Auseinandersetzung der beiden Väter aufgesprungen und dem Kontrahenten aus Wangen einen Faustschlag aufs Auge versetzt haben sollte. Zuvor habe er dessen im Wege stehende Frau an den Schultern gepackt und durchgeschüttelt. Vor Gericht wies der als Nebenkläger auftretende Wangener ergänzend darauf hin, dass er sich bei dem anschließenden Gerangel auf dem Boden die Hand gebrochen habe und deshalb lange Zeit arbeitsunfähig gewesen sei. Außerdem fühle sich seine mindestens fünfmal als 'Arschlöcher' betitelte Familie in der Ehre gekränkt. Der 20-jährige Angeklagte sprach von einem umgekehrten Tatbestand: 'Ich habe nicht geschlagen und auch niemanden angefasst.' Vielmehr habe ihm die Ehefrau des Wangeners eine Ohrfeige verpasst. Diesen Moment der Ablenkung habe deren Mann genutzt, 'mir einen Faustschlag ins Gesicht zu verpassen, worauf ich zu Boden sank und unter dem Tisch lag'. Er sei ganz und gar kein aggressiver Typ, sondern jemand, der mit dem Mund und nicht mit den Fäusten spreche. Der Verteidiger des Angeklagten äußerte sich entrüstet über die zu Lasten seines Mandanten gehenden einseitigen polizeilichen Ermittlungen. Zuvor hatte das vom Richter befragte angebliche Opfer zugegeben, 'im Reflex zurückgeschlagen' zu haben. Auf die weitere Frage des Richters ('Kann es sein, dass Sie sich den Handbruch infolge Ihres eigenen Schlages zugezogen haben') vermochte der Wangener nicht konkret zu antworten. Stattdessen betonte er, sich nach dem Hilferuf seines Kindes ('Lass meine Mama in Ruhe') als Schlichter zwischen den Angreifer und seine Frau gestellt zu haben. Richter Kind sah angesichts der völlig konträren Streitlage den klassischen Fall für einen zivilrechtlichen Vergleich. Es sehe nämlich so aus, dass der ungeklärte Tatbestand bei einer Fortsetzung der strafrechtlichen Beweisaufnahme keiner der beiden Seiten zum Vorteil gereiche und es womöglich am Ende zwei Verlierer gebe. Die im Zuhörerraum sitzende Mutter des Angeklagten empörte sich lautstark darüber, dass ihr unschuldiger Sohn auf der Anklagebank sitze. So einfach nehme sie das nicht hin. Sie müsse erst daheim mit ihrem bei der Verhandlung nicht anwesenden Mann darüber sprechen, ob ihre Familie den Vergleich akzeptiere.

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