Von Sibylle Mettler Memmingen - Was die Familie Geiger aus Memmingen mit den Lechwerken erlebt hat, wirkt wie der Kampf von David gegen Goliath. Allerdings mit noch offenem Ausgang. Der schwäbische Stromriese Lechwerke will durch das Grundstück von Walter und Johanna Geiger eine zweite Starkstromleitung führen - eine gibt es bereits. Die Eheleute klagten dagegen, bekamen vor dem Oberlandesgericht auch Recht. Ungeachtet dieses Urteils haben die Lechwerke ein Enteignungsverfahren gegen die Familie beantragt - und Recht bekommen. Jetzt kämpfen die Geigers dafür, dass die Leitung zumindest um fünf Meter versetzt montiert wird. Seinen Ursprung hat der Streit wischen den Lechwerken und dem Ehepaar in einer Stadtratssitzung von 1999. Damals beschlossen die Räte, ein Neubaugebiet - die Dobelhalde - von Strommasten zu befreien. Walter und Johanna Geiger erfuhren drei Wochen vor Beginn der Bauarbeiten, dass die neue Leitung nur 20 Meter weit weg von ihrem Wohnhaus verlaufen sollte. Das wollte das Ehepaar aus Sorge vor gesundheitlichen Schäden nicht dulden. 'Uns geht's hauptsächlich um die Kinder', erläutert Johanna Geiger. 'Es gibt Hinweise, dass das Magnetfeld von Stromleitungen Leukämie auslösen kann', ergänzt ihr Mann Walter. 'Die Grenzwerte sind so hoch - um sie zu überschreiten, muss man so nah an die Leitung rangehen, dass man zuvor schon einen Stromschlag bekommt', sagt der Elektroingenieur. Das Ehepaar hat gegen die geplante neue Leitung geklagt - und in zwei Instanzen Recht bekommen. Weil den Lechwerken im Grundbuch nur das Recht für eine Leitung eingeräumt wird, so die Begründung. 'Wir wären mit einer zweiten Leitung einverstanden, wenn der Mast 70 Meter weiter von uns weg Richtung Autobahn versetzt würde', erklärt Walter Geiger. Für die Lechwerke kam das laut Pressesprecher Richard Agerer aber aus Kostengründen nicht in Frage.
'Alte Leitung marode'Mehr noch: Der Stromkonzern argumentierte jetzt, dass die alte Leitung durch die Dobelhalde marode sei. Unter dieser neuen Voraussetzung beantragten die LEW, dass die Geigers mittels eines Enteignungsverfahrens gezwungen werden, die neue Leitung zu dulden. LEW-Sprecher Agerer verweist darauf, dass man die 'Versorgungssicherheit gewährleisten' müssen. Die Regierung von Schwaben billigte das Verfahren. 'Hier geht es nicht nur um private Rechte, sondern auch um öffentliches Interesse', sagt Regierungssprecher Martin Pflaum. Walter und Johanna Geiger hoffen nun, den Stromversorger zumindest dazu zu bewegen, dass er die Leitungen nicht ans Ende des Quermasten des großen Strommasten vor ihrem Haus hängt (Grafik), sondern fünf Meter weiter Richtung Mitte der Masten. 'Das würde die Belastung für uns um ein Drittel senken', sagt Elektoingenieuer Geiger. LEW-Pressesprecher Agerer macht ihnen zunächst aber keine Hoffnung. 'Ohne den Mast zu drehen oder zu erweitern ist das, vor allem aus Gründen der Statik, nicht möglich', entgegnet er. In ihren Bemühungen bekommt die Memminger Familie Hilfe von Stadtrat Albert Heuß (Freie Wähler). Er verweist darauf, dass Memmingens Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger dem Aufsichtsrat der LEW angehört. Heuß fordert Holzinger auf, die Familie zu unterstützen. 'Es kann nicht sein, dass man das Interesse von einer Aktiengesellschaft höher stellt als Bürgerinteressen', sagt er. Nach einer Anfrage unserer Zeitung hat sich der Oberbürgermeister mit den LEW nochmals in Verbindung gesetzt. Er hofft, dass beide Parteien doch noch einen Kompromiss schließen. 'Ich werde mich mit Nachdruck dafür einsetzen', betont Holzinger. Nach einem Gespräch mit ihm wollen die Lechwerke nun doch noch einmal prüfen, ob man die Leitungsseile um fünf Meter versetzen kann. 'Es ist nicht ausgeschlossen, dass man das technisch machen kann', sagt Agerer nun. Für Davids Sieg gegen Goliath bestehen also noch Chancen.