"Einen voll beladenen 40-Tonner darf ich durch Europa fahren, nur keine leeren Busse": Günter Seidel versteht die EU-Welt nicht mehr. Seit 1983 hat der Marktoberdorfer einen Lkw-Führerschein (Klasse C). Seit 1998 überführt er für einen Münchner Bushändler leere Reisebusse ins europäische Ausland und retour. Nun soll das plötzlich nicht mehr gehen: EU-Richtlinien verlangen von ihm einen Busführerschein der Klasse D.
Das aber sieht Seidel nicht ein. 22 Fahrstunden, acht Stunden Theorie und die Prüfungen wären für den Schein nötig; Kosten: über 3000 Euro. "Da wehre ich mich dagegen", sagt er: "Was will mir denn der Fahrlehrer noch beibringen? Außerdem will ich keine Personen befördern, sondern nur leere Busse mit roter Nummer überführen."
In Deutschland darf er das übrigens weiterhin tun - mit der "Schlüsselnummer 172", die in seinem C-Führerschein eingetragen ist. Eben diesen "nationalen" Vermerk erkennen Italien, Frankreich oder Österreich nicht an. Wird er in unseren europäischen Nachbarländern "mit Bus erwischt", muss Seidel happige Strafen zahlen. Gerade in Frankreich würden da schon mal bis zu 3000 Euro Strafe fällig.
"Fast keine Aufträge mehr"
Denn seit Januar 2005 ist eine "Bus-Überstellung" mit roten Nummernschildern oder Zollnummern ohne Führerschein D nicht mehr möglich. "Ich fühle mich als EU-Bürger benachteiligt", so Seidels Kommentar dazu. Dabei wusste er lange gar nicht, dass er aus EU-Sicht "was Illegales" tut.
Bis 2007 ist Seidel noch ahnungslos und unfallfrei Bus gefahren, bis im italienischen Barbarino "ein Problem" auftrat: "Ein Kollege fuhr mir hinten drauf." Als nach dem Unfall seine Papiere kontrolliert wurden, sei der Ärger mit den Behörden losgegangen. Jetzt dränge die Zeit. "Ich bekomme fast keine Aufträge mehr", sagt Seidel. Voriges Jahr habe er noch 52 Busse gefahren, "in den letzten fünf Monaten waren es nur acht, im April kein einziger".
Zwei Drittel seiner Fahrten mit über 600 Bussen, die er für das "Maiwand Omnibus-Center" in Garching übernahm, seien zuvor ins europäische Ausland gegangen. "Zur vollsten Zufriedenheit" der Firma Maiwand, wie ihm sein Chef nach dem Unfall bestätigte.
Über das Lesertelefon der AZ zur Europawahl wandte sich Günter Seidel kürzlich mit seinen "EU-Problemen" auch an den Europaabgeordneten Markus Ferber (CSU). Dieser versprach, ihm beim Besorgen einer Fahrgenehmigung zu helfen. In einem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt, ermunterte Ferber Seidel dazu, sich an "Solvit" (ein Online-Netzwerk zur Problemlösung, in dem die die EU-Staaten zusammenarbeiten) zu wenden.
An EU-Kommissar gewandt
"Solvit" verspricht, bei Problemen von Bürgern mit Behörden, die EU-Recht betreffen, innerhalb von zehn Wochen eine Lösung zu suchen. Zudem hat sich Ferber mit Seidels Fall an EU-Verkehrskommissar Antonio Tajani gewandt.
Nun wartet Günter Seidel erst einmal ab - und hofft auf die Europäische Unio, die ihm den Ärger ja auch eingebrockt habe, wie er sagt: "Die EU hat mir mein Geschäft kaputtgemacht."