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"Es ist ein Verlust für das Krankenhaus"

Lindenberg

"Es ist ein Verlust für das Krankenhaus"

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    "Es ist ein Verlust für das Krankenhaus"
    "Es ist ein Verlust für das Krankenhaus" Foto: boxler

    Als im April bekannt wurde, dass das Fortbestehen der Geburtshilfe am Lindenberger Dr. Otto Geßler-Krankenhaus bedroht ist, wollten es viele erst gar nicht glauben. "So etwas kann man gar nicht schließen", sagte eine der Beleghebammen, die auf die Einzigartigkeit des Lindenberger Angebots für werdende Eltern verwies. Alle Bemühungen halfen letztlich nichts: Am 15. Dezember ist der kleine Julien als letztes Baby im Lindenberger Krankenhaus zur Welt bekommen. Für unsere Jahresrückblick-Serie sprachen wir mit Professor Dr. Ulrich Schöffel, ärztlicher Direktor der Klinik, über die Hintergründe der Schließung und mögliche Perspektiven.

    Herr Professor Schöffel, die Geburtshilfe im Lindenberger Krankenhaus ist geschlossen. Was geschieht jetzt mit den Räumlichkeiten?

    Professor Dr. Ulrich Schöffel: Wir sind noch nicht ganz entschieden. Wir denken an die Möglichkeit, sie als Praxisräume umzugestalten. Andererseits hat das Krankenhaus natürlich immer Raumbedarf. Derzeit sichten und diskutieren wir verschiedene Optionen.

    Warum musste mit der Geburtshilfe auch die gynäkologische Abteilung geschlossen werden?

    Schöffel: Das liegt daran, dass Frau Dr. Zink als übriggebliebene Belegärztin mit dem Auszug der Geburtshilfe ihre gesamte Belegarzttätigkeit und damit auch ihre operative gynäkologische Tätigkeit aufgibt. Man muss dazu sagen, dass die Lindenberger Belegärzte seit Langem keine größeren gynäkologischen Operationen mehr durchführen.

    Aber natürlich hoffen wir, möglichst bald wieder eine operative Gynäkologie einzurichten.

    Das hat die Klinikleitung im Oktober ja schon angekündigt. Gibt es bereits Konkretes?

    Schöffel: Nun, die Operationsintensität von Belegärzten lässt sich vom Krankenhaus schwer bestimmen. Das Krankenhaus freut sich über Belegärzte, die operativ tätig sind. Aber dazu müssen die erstmal da sein. Diese Frage stellt sich im Prinzip neu, wenn in Lindenberg eine Praxis frei wird und der Gynäkologe bereit ist, sie weiterzugeben. Wenn dann ein Nachfolger kommt, wird man sehen, inwieweit der operativ tätig werden möchte.

    Was ändert sich aus Sicht des ärztlichen Direktors für eine Klinik, wenn es keine Entbindungsstation mehr gibt?

    Schöffel: Es ist sicher ein Verlust für ein Krankenhaus. Nicht aus finanziellen Grünen, sondern aufgrund der Tatsache, dass die Geburtshilfe ein sehr schönes Fach ist. Die schönen Seiten in der Medizin sind ja nicht so breit gestreut. Ein Krankenhaus freut sich immer über eine gut funktionierende Geburtshilfe - auch die anderen Patienten übrigens. Der Wunsch nach einem möglichst breiten Versorgungsangebot besteht natürlich immer.

    Hat eine Entbindungsstation Auswirkungen auf das Image eines Hauses?

    Schöffel: Ich denke nicht, dass es grundsätzlich ein Imageverlust ist, wenn ein Haus keine Geburtshilfe hat. Dafür gibt es zu viele renommierte Fachkliniken ohne Geburtshilfe. Aber für ein Krankenhaus, das den Versorgungsauftrag in der Region wahrnimmt, war es früher eine klare Aufgabe, eine Geburtshilfe bereitzuhalten. Die veränderten Rahmenbedingungen machen es den Krankenhausträgern aber schwer, das heute noch zu realisieren.

    Ist die Schließung der Entbindungsstation aus Ihrer medizinischen Sicht ein Verlust für das Westallgäu?

    Schöffel: Das ist ein brisantes Thema. Die Politik und die Fachgesellschaften geben Leitlinien vor, dass zum Beispiel beim Eintreffen einer schwangeren Frau im Notfall innerhalb kürzester Zeit der Gynäkologe, die Hebamme und ein OP-Team mit Anästhesist bereitstehen müssen. Das erfordert von den Beteiligten großes Engagement, schließlich müssen sie rund um die Uhr verfügbar sein. Wenn sich das aber auf Dauer nicht leisten lässt, ist die Alternative der Weg in ein größeres Zentrum mit größerem Aufkommen, wo diese Positionen dann durchgehend besetzt sind. Das bietet für manche Patienten vielleicht eine größere Sicherheit. Andererseits verlieren wir so die wohnortnahe Versorgung, und schwangere Frauen sind auf dem Weg zum Krankenhaus länger auf sich allein gestellt. Wie sich das auswirkt, sehen wir nach geraumer Zeit. Theoretisch ist es möglich, dass mehr Lindenberger zum Beispiel im Rohrach zur Welt kommen als bisher.

    Es haben sich im Westallgäu viele Menschen für den Erhalt der Geburtshilfe eingesetzt und das Krankenhaus im Bemühen um einen Belegarzt unterstützt. Hatten Sie jemals Hoffnung, dass die Geburtshilfe zu retten ist?

    Schöffel: Eigentlich ja. Wir hatten gehofft, dass unsere Lage hier doch irgendeinen Gynäkologen herlocken würde, der bereit ist, die Geburtshilfe zu übernehmen. Dass es nicht geklappt hat, liegt auch daran, dass man einem Belegarzt nicht von vorneherein eine eigene Praxis anbieten konnte, sondern nur die Mitarbeit in einer bestehenden.

    Können Sie sich vorstellen, dass sich an den Rahmenbedingungen irgendetwas so ändert, dass es in Lindenberg wieder eine Geburtshilfe geben könnte?

    Schöffel: Wenn dafür die Veränderung der rechtlichen Vorgaben notwendig wären, würde ich sagen nein. Denn diese sind auf größere Sicherheit ausgelegt und deshalb nicht rücknehmbar. Man kann sich höchstens vorstellen, dass die Entfernung zum Behandlungszentrum als Problem erkannt und größere Nähe für notwendig angesehen wird. Das müsste aber dann über Subventionen geregelt werden, damit der Versorger mit geringerem Aufkommen trotzdem alle geforderten Behandlungsvoraussetzungen vorhalten kann. Am Krankenhaus jedenfalls sollte es nicht liegen. Wenn genügend Gynäkologen hier wären, die die Geburtshilfe übernehmen , würden wir sie gerne wieder einrichten.

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