Kempten (kk). - 'Warum beleidigt ihr eure Mitschüler?' fragt Nick die Buben der Klasse 7a. Die Großen sind sich sofort einig: 'Wir provozieren, um Respekt zu bekommen.' Denn ohne den sei man ein Schwächling. Die Kleineren stimmen stillschweigend zu. Je weiter oben man in der Rangordnung stehe, desto mehr sei man den anderen überlegen. 'Wisst ihr eigentlich, dass ihr euch mit dieser Einstellung gegenseitig einen ziemlichen Druck macht?', erwidert Nick. Da beginnen die ersten, darüber nachzudenken. Nick Pistel ist Sozialpädagoge und leitet das Projekt 'Sozial-integrative Jugendarbeit' (Si J) an der Robert-Schuman-Schule. An der Seite steht ihm Alexander Haag, Leiter für offenen Jugendarbeit beim Stadtjugendring Kempten. Seit November werden die beiden im Jugendtreff Sankt Mang von Schulklassen besucht. Dort setzen sie sich mit den Jugendlichen intensiv über Konfliktsituationen auseinander. 'Wir helfen ihnen, Konflikte überhaupt zu erkennen', betont Pistel. Erst dann könne man ihnen Lösungen vorschlagen. Das Besondere an diesem Projekt ist, dass sich die Schüler außerhalb der Schule aber doch an einem ihnen vertrauten Ort mit dem Thema beschäftigen. Auch durch den lockeren Umgang mit den Pädagogen seien sie viel offener und würden mehr aus sich raus gehen, meint Haag. Dies bestätigt Klassenlehrer Erhard Haderlein: 'Seitdem ich sie hier beobachte, erkenne ich, wie meine Klasse wirklich ist.' Mit Hilfe des Projekts habe er in den vergangenen Wochen die wahren Stärken und Schwächen seiner Schüler bemerkt.
Vertrauen aufbauen An vier Vormittagen führen die Sozialpädagogen die 13- bis 15-Jährigen in die Grundproblematik von Konflikten ein. Dabei diskutieren sie gemeinsam über bestimmte Verhaltensmuster. Mit Hilfe von Spielen versuchen sie Vertrauen aufzubauen und Strukturen abzubauen, die innerhalb der Gruppe herrschen. In Form von bildhaften Metaphern geben die Pädagogen den Schülern Möglichkeiten an die Hand, um künftig Konflikte besser begreifen und lösen zu können: Pferd: Man zieht sich aus einem Konflikt zurück und nimmt somit die Emotionen raus. Nachdem sich die Gemüter beruhigt haben, kann man in den Konflikt wieder einsteigen. Zunge: Man versucht den Konflikt verbal zu lösen. Dabei wird über das Problem diskutiert. Letztendlich entscheiden die besseren Argumente. Schwert: Man ergreift harte Mittel, um den Konflikt für sich zu entscheiden. Hier wird mit dem Gegner der direkte Kampf aufgenommen. Es zählt das Recht des Stärkeren. 'Egal welches der drei Mittel sie anwenden, wichtig ist vor allem, dass der Konflikt möglichst positiv für sie endet', so Pistel. Bis heute hätten die Schüler zwar vorwiegend das 'Schwert gezückt'. Ziel des Projekts sei es jedoch, den Jugendlichen alternative 'Waffen' zur Konfliktlösung anzubieten und sie zur Einsicht zu bewegen. Auch sollen die Schüler darüber nachdenken, warum andere bei Konflikten unterschiedlich handeln. Bei der Klasse fällt dem Projektleiter auf, dass in diesem Alter besonders die Buben mit Konfliktsituationen nur schwer umgehen können: 'Mädchen sind da schon viel weiter.' Der 14-jährigen Sibel hat der Kurs auch richtig Spaß gemacht. Und sie hat viel über andere gelernt: 'Ich weiß jetzt wie die denken und warum die so sind.' Sie ist überzeugt, dass sich die Mädchen mit den Buben nicht mehr so oft streiten werden wie früher. Anders der 13-jährige Stefan: 'Ich glaube nicht, dass sich in unserer Klasse etwas ändern wird.' Die Strukturen seien einfach zu festgefahren. 'Dies war jetzt der erste Schritt, um die Probleme in den Griff zu bekommen', sagt der Klassenlehrer. In den nächsten Wochen will er das Thema weiter im Unterricht behandeln, um die Jugendlichen langfristig noch mehr zu sensibilisieren.