Von Michael Olenik, Bremerhaven - Der Adrenalinschub hatte ihn schmerzfrei gemacht. So saß der Kaufbeurer Torhüter Clemens Heringer in der Kabine des Bremerhavener Eisstadions (Endstand Bremerhaven - ESVK: 3:2 nach Verlängerung), während das erste Drittel noch lief, schimpfte vor sich hin und merkte gar nicht, wie zerbeult sein Gesicht war. 'Dein rechtes Auge ist dicht, total zugeschwollen, das sieht ja übel aus', rief einer. 'Was?', antwortete Heringer. 'Das kann nicht sein.' Er stürzte zum Spiegel, sah die Bescherung und trat vor Wut gegen eine Bank. Der 23-Jährige sah aus, wie Dariusz Michalczewski nach seinem verlorenen Kampf. Heringer hatte sich mit Bremerhavens Torhüter Greg Gardner eine ganz üble Keilerei auf offener Szene geliefert, beide Goalies wurden mit einer Matchstrafe vorzeitig unter die Dusche geschickt.
Heringer frustriert Heringer rechnet nun mit einer langen Strafe und war frustriert. 'Gerade hatte der Trainer mir versprochen, dass ich in jedem dritten Spiel eingesetzt werde. Nun habe ich mich selbst um eine Chance gebracht', sagte er. Die Attacke von Gardner konnte er sich nicht erklären. 'Ich hatte nie Probleme mit ihm. Im Gegenteil: Nach dem letzten Spiel hatte er mich gelobt und mir gesagt, dass mir die Zukunft gehört.' Im Zusatzbericht von Schiedsrichter Franz-Josef Trainer (Bad Aibling) lasen sich die Vorfälle so: Auslöser der Aktion war ein Schlag des Kaufbeurer Torhüters gegen einen Spieler des REV Bremerhaven. Daraufhin entwickelte sich eine Schlägerei zwischen vier Spielern (je zwei beider Teams), die je eine Fünf-Minuten-Strafe plus Spieldauer erhielten, beziehungsweise zwei plus zwei Strafminuten. Während dieser Auseinandersetzung fuhr der Bremerhavener Torhüter über die Mittellinie und suchte den Kaufbeurer Torhüter, mit dem er eine handfeste Schlägerei begann, bei der beide Torhüter mit bloßen Fäusten aufeinander einschlugen und dafür eine Matchstrafe erhielten. Der ESV Kaufbeuren profitierte von diesen Vorfällen. Die Joker kassierten zwar das 0:1 durch Boon (10.), waren jedoch mindestens gleichwertig, hatten spielerisch und kämpferisch viel zu bieten, glichen schnell in Überzahl durch Schweiger aus (12.) und gingen im Mitteldrittel durch Appel (34.) sogar nicht unverdient in Führung. Mit dieser Leistung und Moral muss sich Kaufbeuren in der Abstiegsrunde vor keinem Gegner fürchten. Dass es am Ende nicht für den zweiten Auswärtssieg reichte, lag an Joker-Verteidiger Alex Henry, der REV-Stürmer Albrecht in der 50. Minute böse foulte und auf die Strafbank musste. Der Bremerhavener Kapitän Streu nutzte die Überzahl schnell zum Ausgleich und fortan drängten die Pinguine auf den Siegtreffer, der aber erst in der Verlängerung durch Juhasz fiel (61.). Kaufbeurens Trainer Peter Ustorf suchte einen anderen Schuldigen und fand ihn in Schiedsrichter Trainer, mit dem er hart ins Gericht ging: 'Abgesehen von der Schlägerei zu Beginn, die ja vom meinem Torhüter ausgelöst wurde, hat Schiedsrichter Trainer uns übel verpfiffen. Er kann es nicht besser, er ist der schlechteste Schiedsrichter der zweiten Liga und er hat uns um ein besseres Ergebnis gebracht.' Dann wurde Ustorf mit einer Stellenanzeige auf der Webseite der Arbeitsagentur konfrontiert, in der die Kaufbeurer einen Trainer für die nächste Saison suchen. Der Mann, das verrät Optimismus, soll für die zweite Bundesliga eingestellt werden und zwischen 1500 und 2500 Euro verdienen. 'Ja, ich weiß von der Anzeige', so Ustorf. 'Die hat taktische Hintergründe. Wenn man sich nachweislich um einen deutschen Trainer bemüht hat, fällt es hinterher nicht so schwer, eine Arbeitserlaubnis für einen Ausländer zu bekommen.' Als Affront empfand er das nicht, denn 'ich bin ja nur eine Aushilfe bis zum Saisonende und ich verdiene weit weniger als 1500 Euro im Monat.'
Suche nach Uschi Dann übergab Ustorf der Bremerhavener Presse einen Aktenorder, den er 1977, als er für den RSC Bremerhaven stürmte, von einem Fan bekommen hatte. Der Ordner ist mit einem Teddybären aus Stoff verziert und die Ustorf-Fotos sind mit Herzchen beklebt. 'Das ist jetzt fast 30 Jahre her und ich weiß nur noch, dass sie Uschi hieß und schwarze Haare hatte. Findet sie für mich, ich will sie wiedersehen', meinte der Joker-Coach und trank dann noch ein Bier mit alten Weggefährten aus längst vergangenen Zeiten.