Ein musikalisches Wunder vollzog sich in der voll besetzten Martinskirche: ein Abend im Zeichen Mozarts. Man hörte die Symphonie g-Moll KV 550 und sein Requiem, diese zum Weinen schöne Sterbemusik. Das ist ja das Wunder: da schreibt dieser kleine, geniale Mann, selbst schon vom Tode gezeichnet, und das weiß er, auf einen geheimnisvollen Auftrag hin ein Requiem von erhabener Größe, das er nicht mehr vollenden kann; bis zum 'Lacrimosa' ist er gekommen, dann nimmt ihm der Tod die Feder aus der Hand.
Sein Schüler Süßmayr vollendet in überraschender Erhabenheit ein Werk, das bis zum heutigen Tag die Menschen in seinen Bann nimmt. Der Rezensent hat unter Karl Richter das Werk selbst viele Male gesungen und auf Schallplatten aufgenommen, aber je älter er wird, umso mehr ergreift es sein Herz.
Daran sind auch die Interpreten 'schuld', die unter den heftigen Taktschlägen von Hans-Eberhard Roß das Werk gelingen ließen. Der Martinskantor hatte seine Interpreten voll im Griff und motivierte sie auf das Beste. Da ist vor allem die Kantorei St. Martin zu nennen, die als Chor der Hauptträger dieser Musik war, hervorragend präpariert und bei bester gesanglicher Laune.
Es war eine Lust, dieses Ensemble zu hören. Es schien anfänglich ein bisschen zurückhaltend, man erwartete mehr Strahlkraft, aber dann, beim 'Dies irae, dies illa', beim 'Tag des Zornes' also, da war sie da. Der Chor überwältigte auch durch Energie und Wohlklang. Das hielt sich die ganze Komposition durch, bis hin zum 'Lux aeterna', dem ergreifenden Schluss. Hier hat sich Roß ein Ensemble erarbeitet, das voll überzeugte.
Vollendeter Rahmen
Routiniert musizierte die Kammerphilharmonie Bodensee-Oberschwaben, ein solides Orchester, dessen vor allem starke Bläser auch im Blech glänzten. Die ernste Martinskirche gab den vollendeten Rahmen, in dem man erschauern konnte.
Das Solistenquartett Beatrice Ottmann (Sopran), Kaja Plessing (Alt), Wolfgang Frisch (Tenor) und Eric Fergusson (Bass) strahlte durch Geschlossenheit, wobei der Sopran als das schwächste Glied erschien, die übrigen dies jedoch durch Wohlklang überspielten: der starke Alt, der frische Tenor und der grundierende Bass. Und es wurde immer wieder deutlich, welch herrliche Musik Mozart hier geschrieben hat. Es war überwältigend. Dies zeigte sich auch bei der Symphonie g-Moll KV 550, einer der drei letzten großen Symphonien, in die der Maestro noch einmal sein ganzes Genie goss.
Wenn sie auch ein bisschen abgespielt ist, so konnte man sich doch in Wohlklang baden. In der klassischen Viersatzform spiegelt sich Mozarts ganzes symphonisches Genie wider; als vorbereitendes Element war die Symphonie ein wunderbarer Einstieg in das Wunder des Requiems. Die gut gehaltene Spannung der Musik löste sich am Ende in fröhlichen Beifall, trotz der dramatischen Traurigkeit, und in gerne verteilte Blumen.
Man hatte einen Abend erlebt, der zutiefst durchlitten werden konnte; man sah dies auch an den Gesichtern; es war ein Abend der Gefühle, der zu Dankbarkeit verpflichtet.