1914, vor fast einhundert Jahren, wurde die Untrasrieder "Alte Schule" gebaut. Zahlreiche Schülergenerationen haben sie bis zur Schulreform im Jahr 1975 besucht. Sie ist mit einem Teil ihrer Kindheit verknüpft. In die verwaisten Räume zog 1985 der Kindergarten. Nun ist das Haus nicht mehr zeitgemäß. Daher wird derzeit zwischen Umbau oder Abriss und Neubau abgewogen. Grund genug, einmal zu fragen: Wie war es, als die Schule im Ort noch eine wichtige Rolle spielte? Wie haben die Kinder um 1935, 1945 oder 1955 ihre Untrasrieder Schulzeit erlebt?
Vor allem schöne Erinnerungen verbindet die Untrasriederin Hildegard Reisacher (85) mit ihren acht Schuljahren. 1933 ist sie in die erste Klasse gekommen. Ihr Vater, Landwirt Ludwig Breher, erzählte den Kindern davon, wie er beim Bau der Schule mithalf. Jeder Hof hatte zu der Zeit kostenlos einen Helfer zu stellen. Rund zwanzig Minuten am Wald entlang hieß es von ihrem Hof in Ullenberg aus zu Fuß in die Schule zu gehen. Im Winter, erzählt sie, seien die Kinder durch tiefen Schnee gestapft. Im Sommer galt es, vor dem Unterricht Kühe zu hüten.
Ballspiele in den Pausen
Die Kinder von der 1. bis zur 4. Klasse seien damals gemeinsam in einem Saal unterrichtet worden, im zweiten Raum die Klassen fünf bis acht. Über den Schulsälen wohnten die Lehrkräfte, die auch den Garten für sich nutzten. Die Schule war bereits mit Zentralheizung ausgestattet, aber für Anna Linder, die Lehrerin, die unter dem Dach wohnte, mussten die Kinder Brennholz nach oben tragen. In den Pausen wurde vor dem Schulhaus "Völkerball" gespielt. Und am Wandertag in der 2. Klasse sei man einmal sogar bis zum Elbsee gelaufen, erzählt Hildegard Reisacher.
Lehmeier, Kist, Reitmeier, Bichbihler und Fräulein Karolina Vetter, die fast vier Jahrzehnte an der Untrasrieder Schule gewirkt hat, sind Lehrernamen, die der langjährige Gemeinderat und Feuerwehrvorstand Landwirt Xaver Worger sen. (75) aus Brücklings mit seiner Schulzeit verknüpft. 1942 ist er eingeschult worden. Damals besuchten auch Hütebuben von auswärts, etwa von Mainburg und Bobingen, die Untrasrieder Schule. Die seien häufig zu spät auf den Schulweg geschickt worden.
Auf Skiern zum Unterricht
Den Weg legte Worger im Winter auf Skiern zurück, die vom Wagnermeister im Ort angefertigt worden waren. 1943 kamen Kinder aus Essen, "Ausgebombte", die auf Untrasrieder Familien verteilt wurden, ab 1946 zahlreiche Flüchtlingskinder. Worger erinnert sich an drei zusammengefasste Klassenzüge, die teilweise im "Schichtunterricht" mit zwei Schulsälen auskommen mussten.
Auch zur Berufsschule sei er ins Untrasrieder Schulhaus gegangen.
Während des Krieges heizten Holzöfen. Es rauchte und hieß, je nach Platz, zu schwitzen oder zu frieren. Schlimmer waren die Fliegeralarme, wo die Kinder wartend im Schulkeller saßen, manchmal, so Worger, auch weinten.
Von 1955 bis 1963 besuchte Centa Gerle (62) die Schule in Untrasried. Drei Flüchtlingsfamilien waren damals im Haus Gerle untergebracht. Durch die vielen Flüchtlingskinder wurden andere Sichtweisen kennengelernt, der Horizont auch erweitert, so Centa Gerle. Ungern denkt sie ans damals übliche Vorsingen, wenn der Lehrer im Schulsaal am Harmonium spielte. Auch "Tatzen" seien noch üblich gewesen.
Wie Worger erinnert sie sich jedoch mit Freude ans Schulschwimmen im Freibad oder ans Skifahren, wenn es mit der Schule hinaus, Richtung Sonderried, zur "Schmölzer Halde" ging.
Wer Informationen zur Schulgeschichte oder Namen und Daten von Untrasrieder Lehrkräften sucht, findet sie in der von Winfried Schreiber verfassten Untrasrieder Chronik gesammelt. (Herausgeber ist die Gemeinde Untrasried, dort ist die Chronik erhältlich.)