Beate Fritsch sitzt in ihrem Büro in der Hochgratklinik Oberstaufen am Schreibtisch. Rechts von ihr steht ein Flipchart. Auf dem Papier ist in verschiedenen Schriftfarben ein sogenanntes 'Suchtschema' aufgemalt. In der Ecke auf der Couch liegt ein Tennisschläger.
Das ist der Wutschläger, damit können meine Patienten kontrolliert Wut ablassen, erklärt Sie auf die Frage, was dieses Sportgerät in ihrem Büro zu suchen hat. Fritsch ist Diplom-Psychologin und arbeitet seit elf Jahren als Sucht-Therapeutin in der Oberallgäuer Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie. Der Wutschläger und das Flipchart kommen früher oder später beide bei der Therapie ihrer Patienten zum Einsatz.
Fritsch begleitet als sogenannte Bezugstherapeutin die Menschen in der Klinik vom ersten Tag an bis zur Entlassung. Dadurch entsteht eine besondere Beziehung, die sehr viel Nähe zum Patienten erlaubt. Aber nicht nur deswegen geht Fritsch das Schicksal jedes Einzelnen, den Sie therapiert, sehr nah.
Im Laufe meines Lebens habe ich mich mit meinen eigenen Suchtgefährdungen sehr gut beschäftigt und von daher kann ich mich sehr gut einfühlen. Wir legen in unserem Konzept Wert darauf, mit den Patienten auf Augenhöhe zu sein, sagt Fritsch. Einfühlungsvermögen und beinahe täglicher Kontakt zum Patienten sind die Basis ihrer Arbeit als Therapeutin.
Es sind weniger die therapeutischen Methoden oder das technische Werkzeug, was heilt, sondern es ist wirklich der unmittelbare Kontakt von Therapeut zu Patient. Wir müssen den Patienten natürlich da abholen, wo er steht. Das heißt, Empathie ist grundlegend wichtig, erzählt Fritsch über ihre Arbeit.
Die Hochgrat-Klinik ist nicht das, was man unter einer "Suchtklinik" versteht. Hier findet nicht der Entzug statt. Die Patienten sind clean, wenn sie kommen, oder trocken. Je nach Sucht. In erster Linie geht es in dieser Klinik um Depressionen, Angsterkrankungen, um verschiedene Formen psychischer oder psychosomatischer Erkrankung. Allerdings ist die Sucht sehr oft der Auslöser für psychosomatische Erkrankungen. Daher spielen Süchte aller Art eine große Rolle in der therapeutischen Arbeit von Beate Fritsch.
Der Erfolg einer Therapie misst sich in kleinen Schritten. Wenn der Patient bei sich selbst Verhaltensweisen erkennt, "so ein Aha-Erlebnis: So funktioniere ich also", zählt das für die Therapeutin als Erfolg. Ein wichtiges Instrument auf diesem Weg ist die therapeutische Gemeinschaft. "Das heißt: Es können aus dieser Erkenntnis ganz bestimmte konkrete therapeutische Schritte abgeleitet werden, wie kann ich mich dann anders Verhalten und das kann hier in der therapeutischen Gemeinschaft öffentlich gemacht und geübt werden." Die Gemeinschaft unterstützt und begleitet.
Nicht jeder Patient arbeitet bereitwillig mit. Es kommt immer wieder vor, dass Patienten der Therapeutin gegenüber feindselig reagieren und es ablehnen mitzumachen. Besonders natürlich dann, wenn die Therapie Unangenehmes fordert. Wichtig für die Therapie ist allerdings, dass der Patient freiwillig seine Auflagen erfüllt, also je nach Sucht auf Alkohol, Drogen, Medikamente, Nikotin verzichtet, seinen Fernseh-Konsum einschränkt und unter Umständen auch ganz bestimmtes Verhalten unterlässt. Dass er sich eben nicht mehr wie üblich zurückzuzieht oder nicht mehr den Clown macht.
Mediziner sind oft auch privat noch gefragt. Das gilt nicht nur für den Hausarzt, der auf der Geburtstagsfeier schon mal ein Wehwehchen anschauen muss, das gilt auch für die Suchttherapeutin. Selbstverständlich fällt ihr auf, wenn in ihrem privaten Umfeld "Anzeichen sind, wenn da jemand nicht ganz koscher mit Suchtmitteln umgeht." So etwas kommt vor, und dann spricht sie es auch an. Sie selbst trinkt keinen Alkohol, war aber Raucherin. In der Ausbildung ist die Selbsterfahrung ein wesentlicher Bestandteil. "Wir kommen um Selbsterfahrung, Selbstreflexion, Selbstanalyse gar nicht Drumherum. Das habe ich auch in Sachen Sucht getan und kenne mich da ganz gut und weiß, wann ich suchtgefährdet bin."