Als eine große Errungenschaft des Nationalsozialismus galt bei dessen Verfechtern lange Zeit das "Winterhilfswerk des Deutschen Volkes", kurz WHW genannt. Es war eine am 13. September 1933 gegründete Stiftung des öffentlichen Rechts, die in erster Linie zur Entlastung der staatlichen Arbeitslosenfürsorge beitragen sollte. Unter dem Slogan "Ein Volk - eine Gemeinschaft - ein Opferwille" sollte die Einrichtung vor allem den Staat finanziell entlasten. Sie diente vor allem während des Krieges dazu, schnell sichtbare Erfolge beim Kampf gegen Kriegsschäden und Armut vorzuweisen. Auch im Oberallgäu sind die Spuren des Winterhilfswerks zu verfolgen.
Das Winterhilfswerk der Nazis finanzierte sich über ein ausgeklügeltes System von Straßensammlungen, Spenden, Lotterien, Lohnverzicht und freiwilligen Arbeitsleistungen. Nicht alle waren davon angetan. So ist einer privaten Aufzeichnung im Stadtarchiv von Immenstadt zu entnehmen: "Nun war man in dieser Woche schon dreimal mit einer Sammelliste da. Dieses ewige Gebettel geht einem wahrlich auf die Nerven". Andere kritische Stimmen bemerkten laut Archiv-Unterlagen, "dass die von der Wohlfahrt unterstützten Leute besser einkaufen und besser leben, auch besser gekleidet umhergehen als jene, die immer mit diesen Sammlungen in Anspruch genommen werden". Zu den Straßensammlungen herangezogen wurden in Immenstadt vornehmlich die Buben des Jungvolks, der Hitlerjugend und die Mädchen des BDM herangezogen.
Kreativität und Einfallsreichtum bewiesen indes die Organisatoren. Als Gegengabe für die Opferbereitschaft bei Straßensammlungen gab es kleine Figürchen aus Kunststoff oder Holz. Waren diese Abzeichen anfänglich noch der kindlichen Märchenwelt entnommen, so wurden sie mit Beginn des Krieges immer martialischer. Die Abbildungen reichten vom U-Boot über den Tiger-Panzer bis zum Geschütz. Es gab eigene Briefmarken für das Winterhilfswerk, eigene Postkarten, einen besonderen Christbaum, Anstecknadeln und Fahrradwimpel. Unterstützt wurden die Aktionen durch eine große Anzahl von Druckvorlagen, welche die jeweilige Heimatzeitung kostenlos zu veröffentlichen hatte.
SA und SS zogen von Tür zu Tür
Die Haussammlungen absolvierten im Oberallgäu die örtlichen Kader der NS-Wohlfahrt, der NS-Frauenschaft, der SA und der SS. Die Spender erhielten ein Zeichen aus Papier, das an die Haustür geklebt werden konnte und das den Privatmann wie den Handwerks- und Industriebetrieb als "Opferwilligen" auszeichnen sollte. Eine weitere Idee war die "Pfundspende". Wöchentlich einmal sollte jede deutsche Hausfrau ein Pfund irgendeines Lebensmittels opfern. Die Frauen der NS-Ortsgruppen hatten diese Dinge bei den örtlichen Haushalten einzusammeln.
Die Einführung des "Eintopfsonntages" am 1. Oktober 1933 war eine weitere Überraschung des NS-Regimes. Von Oktober bis März sollte an jedem ersten Sonntag des Monats in deutschen Haushalten nur Eintopf gegessen werden. Die Kosten, die diese Mahlzeit verursachte, durften 50 Pfennig pro Person nicht überschreiten. Das gegenüber einem üblichen Sonntagsessen eingesparte Geld sollte dem Winterhilfswerk gespendet werden. Hierzu erschienen in der Tageszeitung wiederholt Eintopfrezepte. Führende NS-Größen wie Hitler und Goebbels aßen quasi öffentlich aus der Gulaschkanone, um die Propaganda voranzutreiben. Im Kriegsjahr 1942 war der Eintopfsonntag vorbei. Als Ersatz wurde ein "Opfersonntag" eingeführt.