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Einst unter Karajan

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Einst unter Karajan

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    Horst Eichler war Trompeter der Berliner Philharmoniker. Von André Krellmann Westendorf In manch einem Musikverein östlich von Kaufbeuren finden sich Schüler von Horst Eichler, dem langjährigen Solotrompeter der Berliner Philharmoniker. Viele von ihnen werden sich an diesem Sonntag auf den Weg nach Irsee machen und ihren Lehrer in der dortigen Klosterkirche in einem Gottesdienst mit anschließender Konzertmatinee gebührend feiern. Denn an diesem Tag wird Horst Eichler 80 Jahre alt.

    1920 wurde Eichler in einem Vorort von Dresden geboren. Wie viele Bürger dieser Stadt hat Eichler die Schrecken der deutschen Geschichte am eigenen Leib zu spüren bekommen. Man ahnt nur, welche Disziplin, welches Durchhaltevermögen sich hinter einer Karriere wie der seinen verbirgt. Bereits im Alter von 15 Jahren trat Eichler, der aus einer Musikerfamilie stammt, in die Orchesterschule der Dresdener Staatskapelle ein. Er studierte an der Akademie seiner Heimatstadt und saß bereits mit 18 Jahren als Trompeter in der Staatskapelle, spielte also, noch vor deren Zerstörung, in der berühmten Semperoper.

    Zehn Jahre Unterbrechung

    Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Eichler zum Reichsarbeitsdienst einberufen, 1941 kam er als Infanterist zunächst an die Westfront, kurz darauf nach Russland. Nach nur drei Tagen endete für ihn der Krieg, als Gefangener verbrachte er über sieben Jahre in Sibirien. 'Es war hundertmal schlimmer als alles, was darüber gesagt und geschrieben worden ist', sagt er über diese Zeit. Nach nahezu zehnjähriger Unterbrechung konnte Eichler 1948 in seine Heimat und zu seinem Beruf zurückkehren.

    Was eine solche Pause für einen Musiker bedeutet, lässt sich vorstellen. Der Neuanfang war dann auch schwierig. Eichler bekam zunächst nur eine Stelle als Bühnenmusiker an der Semperoper. Zusätzlich klapperte er mit dem Fahrrad die Lokale der Umgebung ab, um Tanzmusik zu machen. Seine Zusatzausbildung in Schlagzeug und Klavier und seine Liebe zum Jazz kamen ihm dabei entgegen.

    Nicht mehr wie früher

    Die Zerstörung seiner Heimatstadt ist auch für ihn ein lebenslanges Trauma geblieben. Aufmerksam verfolgt er noch immer den lange noch nicht abgeschlossenen Wiederaufbau Dresdens. 'Es wird zwar schöner', sagt er, 'aber nicht mehr so wie früher.'

    1950 verschlug es Horst Eichler zu einem Vorspiel beim auch damals schon besten und berühmtesten deutschen Orchester, den Berliner Philharmonikern. Von 36 Bewerbern war er der letzte, und er bekam die Stelle. 'Schon immer', meint Eichler, 'waren die Musiker, war dieses Orchester etwas ganz Besonderes.' Die Probespiele der neuen Bewerber fanden vor dem gesamten Orchester statt, das sich in einer anschließenden Abstimmung nur mit absoluter Mehrheit für einen neuen Kollegen entscheidet. Mitte der Fünfzigerjahre hatte Eichler seine Probezeit erfolgreich bestanden. Als Solotrompeter erlebte er nahezu die gesamte Ära Karajan, spielte unter Furtwängler, Bruno Walter, kurz: den berühmtesten Dirigenten. Die Sechziger und Siebziger waren die Glanzzeit nicht nur der Berliner Philharmoniker, sondern der Klassik-Branche schlechthin. Das gesamte klassische Repertoire wurde auf Langspielplatte eingespielt. Für 1,2 Millionen verkaufte Platten mit Beethovens 5. Sinfonie bekam das Orchester sogar eine goldene Schallplatte, heutzutage fast undenkbar.

    Schon früh hatte Horst Eichler einen Onkel wiedergefunden, den es nach dem Krieg nach Kaufbeuren verschlagen hatte. So kam für ihn der Kontakt mit dem Allgäu zustande, das er schätzen und lieben lernte. Mitte der Siebzigerjahre baute er sich in Westendorf ein Haus, wo er neben der Orchesterarbeit und intensiver Unterrichtstätigkeit an der Berliner Hochschule für Musik seine Ferien verbrachte. Vor fünf Jahren ist er ganz nach Westendorf gezogen. 1986 wurde Eichler pensioniert, nach 36 Jahren bei den Philharmonikern und 26 Jahren als Lehrer. Bis heute hält er zu vielen ehemaligen Schülern Kontakt.

    i Der Gottesdienst für Horst Eichler, mit Musik reich durchsetzt, findet am Sonntag, 22. Oktober, um 10 Uhr in der Klosterkirche statt. Daran schließt sich um 11 Uhr, ebenfalls in der Kirche, eine Konzertmatinee an

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