Von unserem Redaktionsmitglied Benjamin Schwärzler Scheidegg - Wenn junge Menschen heutzutage ihr Abitur bestanden haben, dann wissen sie oft nicht, was sie machen sollen. Auf 13 Jahre Schulzeit folgt meist ein 'Orientierungsjahr': hier ein Praktikum, da ein Aushilfsjob, zwischendurch eine Auslandsreise - und irgendwann kommt dann plötzlich die Erkenntnis, in welche berufliche Richtung es gehen soll. Bei Tobias Steinhauser ist es ähnlich. Seit der 34-Jährige seine Karriere als Radprofi im vergangenen Herbst beendet hat, werkelt er auf mehreren Baustellen. 'Ich lasse mich einfach treiben', sagt der Westallgäuer, der zusammen mit seiner Familie weiterhin in seinem Heimatort Scheidegg wohnt. Hier möchte er auch bleiben. Von einem gemütlichen Leben als Frührentner ist der Ex-Profi allerdings weit entfernt. 'Nur auf dem Sofa liegen? Dafür bin ich nicht der Typ', sagt er.
Sportlicher Leiter bei Rundfahrt Deshalb hat er den Posten des Sportlichen Leiters bei der Bayern-Rundfahrt angenommen - eine ehrenamtliche Aufgabe, wohlgemerkt. 'Dadurch kann ich im Radgeschäft bleiben und einmal die andere Seite kennenlernen', sagt Steinhauser, dem es vor allem um praktische Erfahrung geht. Seine Aufgabe bei der 27. Auflage der Tour vom 24. bis 28. Mai: Er ist das Bindeglied zwischen den 16 Mannschaften, Veranstalter und Jury. 'Ich koordiniere die sportliche Komponente', verrät der Westallgäuer, der vor allem sein Fachwissen und seine Sprachkenntnisse (Englisch, Italienisch, Spanisch) einbringen möchte. Sein Engagement ist vorerst auf dieses Jahr beschränkt - eben sein 'Orientierungsjahr'. Doch diese Aufgabe nimmt derzeit nur einen kleinen Teil in der Welt des Tobias Steinhauser ein. Hauptbaustein ist die Sportlerberatung, bei der er sich zusammen mit seinem früheren Manager Siegfried Fröhlich (Mainz) um 18 junge Radfahrer kümmert, darunter T-Mobile-Fahrer Linus Gerdemann. 'Das könnte konkret etwas für die Zukunft sein', findet er. Zudem ist er für das Team T-Mobile als VIP-Betreuer tätig, hält Vorträge zum Thema Motivation/Teambildung/Fitness und arbeitet an einer Sportswear-Kollektion. Getüftelt und viel Zeit investiert hat Steinhauser noch an einem anderen Projekt. 'Darüber kann und darf ich aber noch nichts erzählen'. Das Geheimnis - 'natürlich hat es was mit Radsport zu tun' - werde aber in wenigen Wochen gelüftet. Zudem will der 34-Jährige sich wieder vermehrt in das Scheidegger Dorfleben einbringen. Er ist Gast beim Training des Skiclubs, steckt die Stangen bei Skirennen oder unterstützt die Siegerehrung beim Mountainbike-Kreiscup. 'Ich versuche einfach, wenn die Zeit es zulässt, meinen Unterstützern und Förderern von früher etwas zurückgeben', betont Steinhauser. Auch als Vizepräsident des Vereins zur Radsport-Förderung Allgäu ('Ich hab' denen die Trikots organisiert') engagiert sich Steinhauser. Obwohl er seinen Alltag frei gestalten kann ('ein Job von 7 bis 18 Uhr wäre im Moment schon alleine wegen dem Abtrainieren nichts für mich'), hat er derzeit nicht mehr Freizeit als während seiner Karriere. Zeit für die Familie ist immer noch wenig - und selbst das Training bleibt ab und zu auf der Strecke. 'Seit Ende Januar bin ich erst dreimal draußen auf dem Rad gesessen', verrät 'Steini'. Immerhin war er regelmäßig Skifahren, Langlaufen, Joggen oder hat auf dem Ergometer trainiert. In welche berufliche Richtung es konkret gehen wird, das möchte der frühere T-Mobile-Fahrer spätestens am Jahresende wissen. Laptop, Handy und E-Mails werden dabei wohl eine gewichtige Rolle spielen - auch wenn sich Steinhauser nicht unbedingt als Prototyp des Managers sieht. Dafür betont er: 'Wenn ich ein Ziel habe, dann entwickle ich schon einen bestimmten Ehrgeiz, es zu erreichen.' Eine Eigenschaft, um die ihn so mancher Abiturient sicher beneidet.