In einer Leichtathletik-Serie werden wir anlässlich der Europameisterschaft in München über Sportler aus der Region berichten. Die Memminger Zeitung wird bis einschließlich am Samstag über Leichtathleten schreiben, die zwar nicht aktiv bei der EM am Start sind, sich auf regionaler Ebene aber bereits einen Namen gemacht haben. - Von Michael Denkinger Memmingen/München - Es bleibt zu hoffen, dass Nicole Kehrle-Selzer heute und am Freitag rechtzeitig auf ihrem Platz im Olympiastadion in München sitzen wird. Sie könnte sich durchaus verspäten. Grund: Zuvor wird die Athletin der DJK Memmingen auf dem Trainingsplatz der EM-Teilnehmer anzutreffen sein, um den Kugelstoß- und Diskus-Hünen über die breiten Schultern zu schauen. 'Da kann ich etwas abgucken.' Ihr persönlicher Star wird allerdings nicht dabei sein. Gerne hätte Kehrle-Selzer nämlich Diskus-Werfer Lars Riedel zugeschaut - der ist aber verletzt. 'Allein wie der im Ring steht, ist schon klasse', bedauert die Memmingerin Riedels Abstinenz. Klasse, das heißt aus fachspezifischer Sicht einer bayerischen Meisterin im Kugelstoßen und Diskuswerfen, dass der Werfer im Ring in sich selbst ruhe, 'nicht hektisch wirft und die Kraft nicht auf die Schulter, sondern auf das Sportgerät verlagert.' Dies könne sich entscheidend auf die Weite auswirken. Laut Kehrle-Selzer komme es sowohl beim Diskuswurf als auch beim Kugelstoß nicht nur auf die Kraft, sondern in erster Linie auf die Technik an. Die 25-Jährige hatte den richtigen Dreh in ihrer Laufbahn bislang durchaus raus, was die 44,20 Meter mit dem ein Kilogramm schweren Diskus sowie die 13,60 Meter mit der Vier-Kilo-Kugel beweisen.
Weiten, die immerhin zu bayerischen Wurf-Titeln langten. Geht es nach der sympathischen Werferin, dann ist eine Steigerung durchaus noch drin. Vor allem ein Ziel hat sie seit längerem fest verinnerlicht, allein erreicht hat sie es noch nicht: 'Den Diskus 45 Meter weit werfen.' Damit wäre sie zum Beispiel berechtigt, bei der deutschen Meisterschaft an den Start zu gehen. Um dort dann unter die besten acht, also ins Finale vorzustoßen, müsste sie nochmals drei Meter draufpacken. 'Ein sehr großer Sprung', weiß Kehrle-Selzer, die fünfmal in der Woche trainiert und der Meinung ist, dieses Pensum sollte für eine Hobby-Athletin ausreichen. Die große Leichtathletik-Karriere hat die Werferin, die in jungen Jahren sogar Allgäuer Meisterin im Hochsprung war, demnach abgehakt. Ziele hat sie aber dennoch: Neben der Teilnahme an der deutschen Meisterschaft heißt ihr Traum, bei den Europameisterschaften der DJK-Sportvereine den Titel zu holen. Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich im Jahre 2003. Heute und am Freitag wird die Sportlerin allerdings ihre eigenen Ambitionen in den Hintergrund stellen, nach München reisen und sich auf die kontinentale Leichtathletik-Elite konzentrieren. Sie wird sich auf dem Trainingsgelände der männlichen Werfer positionieren und - um sich zu verbessern kleine Notizen machen. Erst danach wird sie aus sicherer Entfernung beobachten, wie sich die europäische Kugelstoß- und Diskus-Elite im Wettkampf aus der Affäre zieht. Bleibt die Frage, warum sich die Memmingerin nur für die Männer-Konkurrenz interessiert und nicht etwa für die deutsche Frauen-Hoffnung im Kugelstoßen, Astrid Kumbernuss. Kehrle-Selzer lacht: 'Weil die Männer besser sind.'