Bangkok/Marktoberdorf | hkw | Zwischen Thailand und dem Allgäu liegen Welten, betont Lisa Rietzler. Die Marktoberdorferin spricht aus Erfahrung, nicht nur sprichwörtlich: Ihr Mann Manfred, der in Bangkok eine Firma betreibt, pendelte einige Jahre von dort in die Ostallgäuer Kreisstadt - eine Weltreise. Bis sich die Rietzlers im August 2004 entschieden, mit ihren Söhnen, dem achtjährigen Dominik und Tobias (damals 13) nach Thailand zu ziehen. Sie wollten mehr Zeit gemeinsam verbringen.
Immer wieder entscheiden sich Deutsche, dauerhaft oder für einige Jahre im Ausland zu leben. Einige der Auswanderer treibt es bis nach Asien, Amerika oder Australien. In der Serie 'Ostallgäuer in aller Welt' schreiben wir in loser Folge über Menschen, die aus dem Raum Marktoberdorf/Obergünzburg ins Ausland gezogen sind. Die Serie will beleuchten, wie es ihnen in der Ferne ergeht sowie berichten, warum sie das Allgäu verließen und inwiefern ihnen ihre Heimat fehlt.
Vermissen die Schneeglöckchen
Aber seit sie dort leben, fühlen sich Lisa Rietzler und ihre Familie nicht nur räumlich 'wie in einer anderen Welt'. In Bangkok vermissen sie nebst anderem die Jahreszeiten, den 'farbigen Herbst' oder die kalte Schneeluft. 'Und wie schön ist es, wenn im Allgäu nach dem Winter die Schneeglöckchen wieder herauskommen, auf die man so lange gewartet hat', schwärmt Lisa Rietzler. Dagegen sprächen in Bangkok, wo es nie unter 25, oft aber über 40 Grad hat, auch die Thais nur von 'heiß, heißer und am heißesten'.
Trotzdem möchte sie ihre Erfahrungen dort - auch die, 'fremd zu sein' - sowie ihr gemeinsames Leben nicht missen. Da der Arbeitsmittelpunkt ihres Mannes Thailand sei, könnten sie im Allgäu nicht als richtige Familie leben. Bei seiner Firma Smartrac Technology, die in dem südasiatischen Land produziert, entwickelt der Elektroingenieur Manfred Rietzler Produkte und zeichnet für Marktstrategien verantwortlich.
Smartrac ist ein führender Anbieter für 'High Security RFID-Inlays'. Diese beinhalten die Mikroelektronik für elektronische Ausweise und Kreditkarten, die berührungsfrei gelesen werden. Für dieses Spezialgebiet hat der Mittvierziger selbst Patente verfasst. Seine Frau arbeitet in der Firma mit; außerdem unterstützt sie Waisenhäuser, macht deutsche Führungen im Nationalmuseum und leitet die Theatergruppe an der 'Deutschsprachigen Schule Bangkok', der Schweizer Schule, auf die ihre Kinder gehen.
Tobias Rietzler, der jetzt 16 Jahre alt ist, besucht dort mit nur zehn anderen Jugendlichen eine zehnte Klasse, der elfjährige Dominik die sechste. Beide fühlen sich in Thailand wohl, schlossen rasch Freundschaften, auch wenn sie ihre Omas und deren liebevoll zubereitete Apfelküchle oder Leberspätzle vermissen. Auch ihre Mutter war 'überrascht, wie schnell man in einer fremden Stadt viele gute Bekannte, sogar Freunde finden kann'.
Im 'Gewend von Bangkok'
'Wir hätten nicht geglaubt, so weich zu fallen', sagt Lisa Rietzler. Die Deutschsprachigen kümmerten sich umeinander, Startschwierigkeiten seien durch erfahrenere Landsleute aufgefangen worden. 'Außerdem hatten wir Glück mit unserer Nachbarschaft. Wir sagen, wir leben im Gewend von Bangkok', so Rietzler. 'Sehr wichtig war es, Thai zu lernen, auch um etwas über die Menschen hier zu erfahren.'
Hilflos fühlte sie sich (wegen der großen Entfernung) aber, als ihre Mutter im Allgäu krank war. Überhaupt gelte: 'D'hoim ist d'hoim.' So schön es in Thailand sei, am schönsten sei es doch in Marktoberdorf, wo 'unsere Eltern leben, die Geschwister, Nichten und Neffen und langjährige Freunde'. Dennoch hat Lisa Rietzler ihren Entschluss nach Bangkok zu gehen, nie bereut: 'Die Erfahrung, in einer anderen Welt zu leben, möchte ich nicht missen.'