Während wir im Auto steil bergauf zum Drehort für das Video fahren, überholen wir Nadine. Sie radelt auf dem Mountainbike hoch. Scheibe runter: Hallo Nadine! - Hallo. Wir sind gleich da, noch 500 Meter, dann kommt auf der rechten Seite ein Parkplatz, sagt sie. Und zwar so, als säßen wir nebeneinander auf einer Parkbank. Ganz entspannt. Von sichtbarer Anstrengung oder hörbarer Atmung keine Spur. Die ist topfit, sind wir uns einig. Klar, eine Leistungssportlerin in dieser Liga muss ja fit sein. Trotzdem ist man erst eimal überrascht.
Das Interview mit ihr macht Spaß. Sie wirkt sehr gelassen, natürlich, professionell, sympatisch. Als Neunjährige, erzählt sie, wollte sie unbedingt einen Pokal haben, wie ihr großer Bruder, der damals schon Rennen fuhr. "Meine Eltern wollten mir keinen kaufen, das wäre mein Vorschlag gewesen", sagt sie und lacht. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als sich selbst dafür anzustrengen. Die erste Belohnung war kurz darauf der zweite Platz beim Alpen-Cup. Der Start in die Mountainbike-Karriere.
Mittlerweile fährt sie in den Disziplinen"Cross Country Eliminator" (Sprint, bei dem immer vier gegeneinander fahren und die besten zwei jeweils weiter kommen, Renndauer ca. zwei Minuten pro Lauf). Die Rennstrecken werden technisch immer anspruchsvoller, immer spektakulärer mit hohen und weiten Sprüngen. Nicht ganz ungefährlich also.
Angst? "Dadurch dass ich mit neun Jahren sehr früh angefangen habe und viel mit Jungs trainiert habe, ist es nicht so, dass ich Angst habe." Wirklich gavierende Verletzungen sind ihr bisher erspart geblieben. Trotzdem hat sie natürlich einige Narben von Stürzen, besonders an Ellbogen und Beinen: "Jede Narbe erzählt von irgendeinem Rennen."
Bereits als Nachwuchsfahrerin war sie sehr erfolgreich. Dreimal in Folge wurde sie deutsche Meisterin. Was danach folgte, war ein Jahr Zwangspause wegen Rückenproblemen. Letztes Jahr dann die bisher größten Erfolge: Dritter Platz beim Weltcup, vierter Platz bei der Weltmeisterschaft, in sämtlichen Weltcup-Rennen unter den besten zwölf. "Das war eine richtig tolle Saison".
Seit der Saison 2014 fährt Nadine im AMG-Rotwild Mountainbike Racing Team. "Da läuft das alles schon sehr professionell ab. Wir haben jetzt Mercedes AMG als Sponsor dazu bekommen. Das motiviert. Man muss aber auch aufpassen, dass man sich dadurch nicht zu sehr unter Druck setzen lässt."
Vollprofi ist sie (noch) nicht. Nadine arbeitet ein paar Tage pro Woche bei der Stadt Sonthofen, natürlich im Fachbereich Sport. Das bewahrt den Bodenkontakt, dadurch ist sie "mit dem Kopf nicht nur beim Sport und auch ein bisschen abgelenkt."
Auf ihrer offiziellen facebook-Seite steht "deutsches Model und Fahrerin". Modeln ist allerdings nur Hobby, "nur zum Spaß". Schwer zu glauben: Die halbprofessionelle Mountainbikerin Nadine empfindet den Modeljob als körperlich anstrengend. "Das schlaucht den Körper, wenn man den ganzen Tag rumsteht, dann hat man oft kurze Sachen an und friert." Eine Art von Anstrengung, die für sie ungewohnt ist.
Die wohl bekanntesten Bilder von ihr stammen aus dem Radsport-Kultkalender "Cycle Passion". Der Kalender hat einen sehr hohen Stellenwert in der Welt des Radsports, hier sind die weltbesten und schönsten Radsportlerinnen abgebildet. 2013 war sie zum ersten Mal dabei. "Da habe ich mich sehr gefreut, als die Anfrage kam."
Sexy Fotos in einem Kalender, da muss man sich bewusst entscheiden, ob man das möchte. "Ich habe auch vorher mit meinen Eltern darüber gesprochen. Dass alle Reaktionen positiv waren, hat bestätigt, dass das ein seriöser Kalender ist und wir nicht billig dargestellt werden." 2014 durfte sie zum zweiten Mal mitmachen - nicht der Normalfall.
Die sportlichen Ziele in diesem Jahr: Die Deutsche Meisterschaft im Eliminator-Sprint im Mai in Saalhausen und natürlich ein emöglichst gute Platzierung bei den Weltcup-Rennen. Besonders beim Rennen in Albstadt (29.5.-1.6.), wo Nadine ihr gutes Ergebnis vom letzten Jahr (3. Platz) wenn möglich toppen möchte.
Langfristiges Ziel ist die Teilnahme bei den Olympischen Spielen. "Ich denke, das ist für jeden Sportler etwas ganz besonderes, bei Olympia dabei zu sein, das ist schon in meinem Hinterkopf, da mal am Start zu stehen." Vielleicht klappt es ja schon bei den Spielen 2016 in Rio de Janeiro.