Von unserem Mitarbeiter Michael Dumler, Kempten - Es war keine gewöhnliche Lesung, zu der die Buchhandlung Lesezeichen ins Müssiggengelzunfthaus in Kempten eingeladen hatte. Der Isnyer Schriftsteller Till Bastian präsentierte vor rund 50 Besuchern sein aktuelles Buch '55 Gründe, mit den USA nicht solidarisch zu sein - und schon gar nicht bedingungslos' (Pendo-Verlag, 14,90 Euro). Bastian las jedoch nicht vor, sondern erläuterte eloquent und mit umfassendem historisch-politischem Wissen ausgestattet, weshalb eine kritiklose USA-Hörigkeit die Welt immer mehr an den Abgrund drängt. Till Bastian, Sohn des in der Friedensbewegung engagierten ehemaligen Bundeswehr-Generals Gert Bastian (1923-1992), studierter Mediziner und renommierter Publizist, ist in der Tat ein 'unbequemer Zeitgenosse', wie ihn Buchhändlerin Elisabeth Hansen vorstellte. Der 49-Jährige, der in Isny lebt und übrigens seit drei Jahren auch erfolgreich Kriminalromane verfasst, bezeichnet sich selbst als 'friedensbewegten Menschen'. Und als solcher stellt er kritische und unbequeme Fragen. 'Jeder Terror-Tote ist einer zu viel, und allen Opfern muss unsere Solidarität gelten', sagt Bastian angesichts des Attentats vom 11. September auf das World Trade Center in New York. Doch bei aller Trauer dürften andere Terrorakte auf der Welt nicht beiseite geschoben werden. 'Wir müssen endlich aus dem Teufelskreis Gewalt/Gegengewalt und Rache/Vergeltung herauskommen', fordert er. Die Politik der USA treibe diese Spirale jedoch immer weiter. '1988 war Saddam noch der Lieblingsverbündete des freien Westens', so Bastian. Obwohl der irakische Machthaber einen gnadenlosen Giftgaskrieg gegen die kurdische Minderheit im eigenen Land führte, hätten die USA ihn unterstützt.
'Der Freund von gestern ist nun der Feind von heute.' US-Präsident George Bush entlarvt der Publizist als Lobbyisten der amerikanischen Energiewirtschaft. Bush fordere im Kampf gegen den Terror weltweite Solidarität. Doch die USA hätten der Welt ihre Solidarität längst aufgekündigt. Als Beispiel nennt Bastian den Ausstieg der USA aus den Klimaschutzvereinbarungen von Kyoto sowie den Abrüstungsabkommen. 'Wer so jede Verantwortung für die Welt abstreitet, wird eine Solidarität der Welt für sich schwerlich reklamieren können.' Andererseits gibt Bastian zu bedenken: 'Solidarität übt man nur mit Menschen, nicht aber mit Staaten oder Regierungen.' Die Beziehungen letzterer seien durch Verträge geregelt. Das Grundgesetz sei an das Völkerrecht gebunden und schließe Angriffskriege aus. Ein US-Präventivkrieg mit deutscher Beteiligung gegen den Irak sei ein Angriffskrieg und als solcher völkerrechts- und verfassungswidrig, so Bastian. 'Völkerrecht und Menschenrechte sind kein Manövriermaterial', warnt er. Auch wenn Geschäft vor Moral gehe und Macht über Menschlichkeit triumphiere, gelte es am 'Prinzip Hoffnung' festzuhalten. Internationale Vereinigungen sollten dabei nachhaltig gestärkt und mit politischer Macht ausgestattet werden. 'Gewalt muss durch internationales Recht domestiziert werden', fordert Till Bastian.